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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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die Augen, als sie den ersten Schluck Mousseux ihres Lebens auf der Zunge spürte. Aufregender als alles, was sie bisher getrunken hatte, war dieses Getränk. Und auch wenn sie nach zwei weiteren Schlucken schmeckte, dass es eigentlich nur die Mousse war, die jeden Schluck zu einem Erlebnis machte, beglückwünschte sie Barbara lebhaft.
    »Es lohnt kaum aufzuzählen, was ihm noch alles fehlt«, entschuldigte Barbara sich. »Er ist zu hart und beisst in den Gaumen. Zwar ist die Mousse köstlich, aber an den Lippen bekommt man eher einen Schlag als einen Kuss.«
    »Aber er wirkt im Gemüt«, sagte Maria bewundernd. »Ich hab es gleich gemerkt. Wie ein Zaubertrank, der unsere eingekerkerten Seelen zum Licht trägt.«
    »Ja. Er stimmt einen so, dass einem die Worte manchmal aus dem Mund rutschen, als wär’ man Briefsteller oder gar Poet«, sagte Barbara und schenkte Maria nach. »Man kann richtig ins Schwärmen kommen!«
    »Bei mehr als einer Flasche bestimmt. Damals hätte ich aber wohl ein ganze Kiste gebraucht, um meine Alpträume zu ertränken. Und vielleicht wäre ich dann nicht nach Breisach auf die französische Kommandantur gegangen.«
    »Weil es an der tiefsten Verzweiflung gefehlt hätte?«
    »So müsste man es sagen«, erwiderte Maria und horchte auf die Schläge der Kirchturmuhr. »Es hat elf geschlagen. Zeit, dass ich zu Ende komme. Mein Ludwig war ein Prachtkerl. Aus einer Elsässischen Rebbauernfamilie. Ein Sergent-Major mit Herz, der in Breisach als Wachoffizier eingeteilt war.«
    »Dein zweiter Mann ein Franzose?« Barbara war überrascht. »Wie konnte das gehen?«
    »Ganz einfach: Ich hab’ ihm gefallen!« Maria lachte und schnalzte genießerisch mit der Zunge. »Mit jedem Schluck wird er besser, dein Mousseux«, setzte sie hinzu. »Mein Ludwig würde sich jetzt freuen, wenn er uns so sehen könnte. Er war ein leidenschaftlicher Genussmensch. Kaffee und Kirschwasser durften sonntags nicht fehlen. Bei verdünntem Wein bekam er grundsätzlich die Wut. Ich hatte so ein Glück. Am Stadttor lief ich ihm geradewegs in die Arme, und auf der Kommandantur hat er mein Gejammer dem Offizier vorgetragen.«
    »Das klingt famos und wunderbar zugleich«, entgegnete Barbara. »Dass man dich überhaupt angehört hat!«
    »Ja, das war das erste Wunder. Und ich muss gestehen, die Soldaten in Breisach kamen mir gar nicht vor wie Bestien. Natürlich gab’s nur Achselzucken. Der in Frage kommende Trupp wäre längst vor Freiburg, und außerdem, vergiss nicht, c´était la guerre. Doch dann, und das hätte sich ein Gellert auch nicht besser ausdenken können, glaubst du, dass mein Ludwig, mein Sergent-Major Heiteren, bis Limburg das Kommando über diese Mordmannschaft gehabt hat? Weil er mit Ordres nach Breisach reiten sollte, hat er am Mordtag in der Früh das Kommando übergeben müssen. An einen Jobst Brüssler.«
    »Scheußlicher Name«, meinte Barbara. »Trotzdem hast du dich in den Ludwig verlieben können?«
    »Das war das zweite Wunder, Barbara. Ludwigs Dienstzeit lief aus in diesem Jahr, nach zwölf Jahren. Seine Apanage dafür hat er sich in eins auszahlen lassen. Kannst du verstehen, was dies bedeutet hat?«
    Barbara nickte nachdenklich und blickte Maria bewundernd an. Diese Geschichte war genauso seltsam wie ihre eigene, und auf unerklärliche Art schien sie ihr mit einem Geheimnis behaftet zu sein, obwohl es keinen vernünftigen Grund gab, Marias Erzählung in Zweifel zu ziehen. Dass diese jetzt vor ihr sitzende Frau mit einem französischen Feldwebel eine glückliche Zeit verbracht hatte, verwirrte sie. Aber warum? Woran lag dies? Unwillkürlich blitzte Bernhards Bild vor ihr auf, doch bevor sie darüber nachdenken konnte, setzte Maria ihre Geschichte fort.
    »Er hat mich, weil er Ehre im Leib gehabt hat, besucht. Einmal, dann überraschend ein zweites Mal und so fort. Und sogar ins österreichische Bürgerrecht hat er sich auf dem Burkheimer Rathaus eingekauft. Da war ich dann im Dorf der meistgehasste Mensch. Vom Jacob mag ich gar nicht reden. Was glaubst du aber, wessen Geld es war, von dem wir uns das Viertel Rebland kaufen konnten?«
    »Es hat dreiviertel geschlagen«, unterbrach sie Barbara. »Und unsere Flasche ist leer. Was machen wir da?«
    »Du holst die zweite«, sagte Maria auffordernd und wedelte mit ihrem Glas. »Wenn du schon so fragst!«
    » Un moment, Madame !« Barbara wollte gerade loslaufen, da schlug die Haustür. Aufreizendes Gepruste und unterdrücktes Kichern, vermischt mit

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