Blutige Asche Roman
Ich muss hier raus. Ich ersticke.«
Ich hörte Schritte auf dem Gang. Die Luke ging auf, und ich sah ein unbekanntes Gesicht. »Alles in Ordnung da drin?«
»Nein«, keuchte ich. »Ich kann nicht mehr atmen. Ich …« Ich legte die Hände um meine Kehle. »Bitte öffnen Sie die Tür. Der Sauerstoff ist beinahe aufgebraucht.«
»Das kann nicht sein«, sagte das Gesicht. »Schau mal zur Decke. Siehst du das weiße Ding dort? Da kommt frische Luft raus. Du kannst also unmöglich ersticken.«
»Das funktioniert nicht«, sagte ich. »Ich spüre das. Ich ersticke. Ihr wollt mich tot sehen.«
»Du hast eine Panikattacke«, sagte das Gesicht. »Versuch, ruhig ein- und auszuatmen. Wenn das immer noch nicht hilft, werde ich den Arzt um ein Beruhigungsmittel bitten, einverstanden?«
»Ihr habt mir Drogen ins Zimmer geschmuggelt, um mich hierher bringen zu können. Und jetzt lasst ihr mich sterben. Das ist eine Falle. Ihr habt mich da reingelockt.«
»Immer mit der Ruhe. Denk an das, was ich gesagt habe. Sieh dir die Belüftungsschlitze an der Decke an.«
»Sie funktionieren nicht. Sie funktionieren wirklich nicht.«
»Soll ich die Luke auflassen? Durch die kannst du atmen, wenn dich das beruhigt.«
Das Gesicht verschwand wieder, und ich stellte mich auf die Zehenspitzen, damit mein Mund die Öffnung erreichte. Ich war wie François, Maria, Hannibal, Peanut, Rosine, King Kong und der andere. Mit aufgerissenem Mund sog ich den knappen Sauerstoff ein. Und wartete auf die Reservepumpe.
Nach einigen Stunden strengte mich die unbequeme Haltung an. Meine Waden verkrampften sich, und mein Hals war ganz steif. Ich setzte mich auf den Boden und fand es gar nicht mehr so schlimm, zu sterben. Ja, im Moment schien es mir sogar die beste Lösung zu sein.
Als es dunkel wurde, bekam ich etwas zu essen. Die größere Luke wurde geöffnet, und man stellte einen Plastikteller mit Spaghetti auf ein Tablett. Dazu gab es Plastikbesteck und einen Becher Wasser.
Ich schrak hoch. »He!«, rief ich. »He! Ist da jemand?«
Niemand reagierte. Nur die Luke wurde wieder verschlossen.
Ich hockte mich hin, den Teller Spaghetti in den Händen. Tomatensoße tropfte auf meine weiße Hose. Sie hinterließ einen hässlichen roten Fleck. Rot auf Weiß.
So wie damals, als Rosita tot war. Sie hatte ihr weißes Oberteil angehabt, das mit den dünnen Trägern, unter dem man ihre Dinger sehr gut sehen konnte, mit Nippeln und allem drum und dran. Sie hatte immer zu wenig an. Es war nicht sehr warm gewesen, als Rosita starb. Aber Rosita drehte lieber die Heizung auf, als sich mehr anzuziehen. Sie möge Kleider nicht besonders, sagte sie. Am liebsten wäre sie den ganzen Tag nackt herumgelaufen.
Das weiße Oberteil war zerrissen und voller roter Flecken. Auch ihr Rock war blutbeschmiert. Das Blut war überall. Mir wurde ganz schwindelig davon, und ich musste ein paar Mal die Augen schließen, weil es mir schwerfiel, das anzusehen.
Anna trug ein rosa Röckchen. Reduzierte Ware von C & A, von 24,95 auf 15,95. Sie war nicht ganz so blutbeschmiert wie Rosita. Nur in der Mitte ihres Oberkörpers befand sich ein großer nasser Fleck. Ihre Augen waren aufgerissen. Den Ausdruck auf ihrem Gesicht konnte ich nur schwer deuten. Angst? Erstaunen? Ich sah das Blau, mit dem hübschen dunklen Kranz drum rum. Aber ihre Augen hatten jeden Glanz verloren.
Rositas Augen waren halb geschlossen. Ihr Mund stand ein wenig auf, als würde sie lachen. Obwohl sie tot war, lachte sie immer noch. Ich wusste nicht, warum. Lachte sie mich aus? Lachte sie mich immer noch aus?
Blut umgab sie, wie ein Spiegelei, bei dem der Dotter ausgelaufen ist. Das Blut war nicht mehr so flüssig, es klebte an meinen Schuhen. Deshalb hinterließ ich Spuren auf der cremefarbenen Auslegeware.
»Wollen Sie wirklich einen so hellen Teppich nehmen, bei diesem kleinen Mädchen?«, hatte uns der Verkäufer gefragt. Er war automatisch davon ausgegangen, dass wir zusammenlebten, vielleicht hielt er mich für Annas Vater. Ich fand ihn schon allein deswegen nett. »Wir haben auch ein paar sehr schöne melierte Brauntöne.«
Aber Rosita wollte keine dunklen Farben im Haus. »Creme ist chic«, sagte sie. »Alle reichen Leute haben das in ihren Häusern. Und wenn der Teppich schmutzig wird, kaufen sie sich eben einen neuen.«
Der Teppichboden hatte beinahe sechstausend Gulden gekostet,
einschließlich des Verlegens. Die Hälfte meiner Ersparnisse.
Und schon jetzt war der Teppich hin.
Es roch nach altem
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