Blutige Asche Roman
Drachenbaum gegen die Wand geworfen hatte. Mo war einer der wenigen, mit denen ich noch reden wollte. Alle anderen hatten mich reingelegt. Janneke mit ihrem sauren, pappigen Brot, Henk mit seinem silbernen Blitz am Ohr, mein ehemaliger Zellengenosse, Rembrandt. Sie alle hatten mir Drogen ins Zimmer geschmuggelt.
Ich wusste natürlich nicht mit Gewissheit, ob ich Mo wirklich trauen konnte, aber irgendjemandem muss man trauen, das sagte der Heimleiter von Dwingelerheide auch immer. »Ich weiß, dass es dir schwerfällt, Menschen zu vertrauen. Aber wenn du es doch mal versuchen willst, probier es mit mir. Man braucht irgendjemanden.« Der Heimleiter hatte mich nie im Stich gelassen. Niemals. Er hatte dafür gesorgt, dass mich die anderen in Ruhe ließen, und mich für die Bäckerlehre angemeldet. Er hatte mich ins Planetarium mitgenommen und war immer nett zu mir gewesen. Außerdem hatte er oft gesagt: »Alles wird gut, Ray.« Aber nichts war gut geworden.
»Iris will überprüfen, ob bei den damaligen Ermittlungen und dem Prozess alles mit rechten Dingen zugegangen ist.« Mo sprach ganz langsam. »Ich rede von dem Prozess, bei dem du zu einer Gefängnisstrafe und anschließender Sicherungsverwahrung
in der Psychiatrie verurteilt wurdest. Du hast sie selbst gebeten, dir zu helfen. Weißt du das noch?«
Ich erinnerte mich tatsächlich noch daran, obwohl mich die ganze Sache furchtbar erschöpft hatte. »Und dann?«
»Das weiß ich nicht. Kommt ganz darauf an, was sie herausfindet. Auf jeden Fall kann dich deine Schwester öfter besuchen, wenn sie deine Anwältin ist. Würde dir das gefallen?«
Ich starrte die Wand an, ungefähr die Stelle, an der die Pflanze den geweißten Putz getroffen hatte. Es war nichts mehr davon zu sehen. Iris Kastelein, die behauptete, meine Schwester zu sein, wollte mich öfter besuchen. Sie würde wieder Fotos von den Fischen mitbringen und mir von ihnen erzählen. Aber ich würde auch öfter vor der Krankenschwester ohne Kittel in den Behälter pinkeln müssen. Danach würde man Drogen bei mir finden, und ich müsste wieder in die Isolierzelle. Und dann würde noch mehr in mir absterben.
»Ich weiß, dass du das Verbrechen bei Dr. Römermann nach wie vor abstreitest. Wenn das stimmt, ist das die Chance, deine Unschuld auch zu beweisen.«
»Und dann?«
»Darfst du nach Hause.«
Ich sah Mo, der stets fröhlich wirkte, forschend an. Ich dachte an die Kärtchen mit den Gesichtern. Daran, wie man an Mund und Augen sehen konnte, ob jemand lachte oder nicht.
»Woran denkst du, Ray? Wovor hast du Angst?«
»Ich will nicht zurück in die Isolierzelle«, sagte ich. »Nie mehr.«
»Das liegt ausschließlich an dir«, meinte Mo. »Wenn du dich an die Regeln hältst, wird dich auch niemand einfach so in die Isolierzelle stecken.«
»Ach nein? Wirklich? Und was ist letztes Mal passiert? Warum wurde ich da reingesteckt, obwohl ich nichts Falsches getan habe? Überhaupt nichts!«
»Du hast einen Blumentopf nach Jannekes Kopf geworfen.«
»Sie hat gesagt, dass ich nicht mehr im Garten arbeiten darf. Du weißt doch, dass ich immer die Hecken schneide? Das ist das Einzige, das mir Spaß macht. Denn meine Fische habe ich bis heute nicht bekommen. Obwohl alle sagen, dass sie darüber sprechen und nachdenken wollen. Aber inzwischen sind schon Monate vergangen, und ich warte immer noch auf eine Antwort.«
Jetzt lachte Mo nicht mehr. Er sah ernst aus. Die Stirn war leicht gerunzelt, der Mund bildete eine gerade Linie. »Ray, waren das deine Drogen?«
Ich schlug mit der Hand auf den Tisch. »Das sag ich doch die ganze Zeit. Ich habe keine Drogen! Ich nehme keine Drogen! Und ich rauche auch nicht. Wie komm ich hier je wieder raus, wenn mir niemand glaubt?« Ich sprach, ohne Luft zu holen. Mir wurde schwindelig.
»Immer mit der Ruhe. Entspann dich, alles ist in bester Ordnung.« Mo zeigte mir, wie ich atmen musste. »Gut, so ist es besser. Geht es wieder? Hör mal, es kann gut sein, dass dir jemand Drogen untergeschoben hat. Das wäre nicht das erste Mal. Ich werde das in der Teambesprechung vorbringen, damit wir der Sache nachgehen können.«
»Ja?«
»Klar. Noch einmal zu Iris: Sollen wir noch ein Gespräch mit ihr führen?«
»Muss ich dann in das Becken pinkeln?«
»Das ist nicht ausgeschlossen.«
Ich zögerte. Ich wollte nie mehr mit nacktem Pimmel vor der Frau ohne weißen Kittel stehen, aber gleichzeitig dachte ich an meine Fische. Daran, wie sehr ich mir wünschte, Iris Kastelein, die
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