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Blutige Asche Roman

Titel: Blutige Asche Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Pauw
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Scharnier kaputt.
    »Ich könnte es dir verraten. Oder auch nicht. Kommt ganz darauf an.« Wieder steckte er lässig eine CD in eine Hülle und legte sie auf meinen Stapel.
    Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte.
    »Vielleicht fragst du mich einfach danach. Aber ganz freundlich
und höflich. So, dass ich einfach nicht ›nein‹ sagen kann. Schaffst du das?«
    Meine Hände zitterten, und ich spürte, wie mir der Schweiß den Rücken hinunterlief. Hätte ich doch nur gewusst, was er wollte.
    Er strich kurz mit der Hand über meine Schulter. Eine Geste, von der ich Gänsehaut bekam, obwohl mir gerade noch warm gewesen war.
    »Ich hör von dir. Und immer schön vorsichtig mit den Hüllen.« Er ging zu Henks Tisch hinüber und setzte sich. Sie fingen an, sich zu unterhalten, und lachten.
    Ich versuchte, mich wieder auf die Hüllen zu konzentrieren. Ohne noch eine kaputt zu machen, gelang es mir, einundneunzig zu bestücken.
    »Schade«, sagte der Aufseher. »Willst du noch eine Stunde weitermachen und schauen, ob du die hundert dann schaffst?«
    »Ich möchte zurück auf meine Zelle.«
    »Auf dein Zimmer. In diesem Fall sehen wir uns morgen wieder. Dann kannst du es noch mal versuchen. Und übermorgen bauen wir Fernbedienungen zusammen. Das liegt dir vielleicht mehr.«

33
    Ich parkte meinen Wagen vor Rays alter Wohnung. Die Vorhänge waren immer noch zugezogen. Nichts wies darauf hin, dass hier irgendwas passiert war, seit ich das letzte Mal vor der Tür gestanden hatte.
    Die Sonne schien, aber der Wind war unangenehm kalt. Ich ging zur Hausnummer 11, wo Rosita und Anna gewohnt hatten. Ich hielt es für eine gute Idee, mir den Tatort anzuschauen. Der Vorgarten war ein bisschen gepflegter als der von Ray. Eine ordentlich geschnittene Koniferenhecke, eine Kletterrose, Veilchen. Hier wohnte jemand, der einen Blick für Details hatte.
    Auf dem mit Blumen verzierten Namensschild stand »Onno und Marjet«. Ich klingelte. Es war eine elektrische Klingel, trotzdem erklang ein altmodisches Läuten.
    Durch das Milchglas sah ich einen roten Fleck mit einem blonden Haarschopf auf mich zukommen. Ich stellte mir vor, dass diese Marjet bereits ein Lächeln aufgesetzt hatte, fest entschlossen, wem auch immer einen freundlichen Empfang zu bereiten.
    »Guten Morgen«, sagte sie fröhlich. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Guten Tag. Tut mir leid, dass ich Sie an so einem schönen Tag störe, aber ich würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
    »Kommen Sie von so einem Marktforschungsinstitut? Denn dann …«

    »Nein, nein«, sagte ich hastig. »Es geht um etwas anderes.«
    »Oh? Es ist doch nichts mit den Kindern?«, fragte sie.
    »Auch das nicht. Ich möchte Sie zu etwas befragen, das vor langer Zeit passiert ist.«
    »Die Kinder zelten nämlich gerade in der Dordogne mit unserem Enkel. Noah ist erst neun Monate alt, und dann schon im Zelt schlafen? Ich weiß nicht. Aber Spaß macht es bestimmt.«
    Weil ich mich nicht auf ein Gespräch über die Gefahren beim Zelten mit Kindern einlassen wollte, sagte ich: »Es geht um ehemalige Mieter dieses Hauses. Um Rosita und Anna Angeli.«
    Marjet setzte ein trauriges Gesicht auf.
    »Entschuldigen Sie, dass ich das alles wieder aufwühlen muss. Aber ich gehöre zu einem Team, das den Fall eventuell wiederaufnimmt. Deshalb möchte ich mit Nachbarn sprechen. Und Sie gehören auch dazu.«
    »Ich weiß nicht recht.«
    Ich zückte meine Visitenkarte. Dickes Büttenpapier mit schnörkeliger Schrift, ganz nach Lodes Geschmack. So etwas macht Eindruck. Marjet überflog die Visitenkarte.
    »Dann kommen Sie mal mit rein.« Sie hielt mir die Tür auf.
    Ich betrat hinter ihr den Flur, in dem vor acht Jahren Rositas und Annas Leichen gelegen hatten. Der Boden war mit Eichenholzparkett ausgelegt, die Wände hatte man in einem Orangeton gestrichen, der bestimmt »Toskana-Abendrot« hieß. Nichts erinnerte an das schreckliche Verbrechen, das hier stattgefunden hatte. Aber was hatte ich eigentlich erwartet? Dass man noch die Kreideumrisse der Spurensicherung sah?

    Marjet ließ mich auf dem Sofa Platz nehmen und eilte in die Küche, um Kaffee zu holen. Ich sah mich um. Das Wohnzimmer war nicht sehr groß und lag auf der Rückseite des Hauses. Von dort sah man in einen herrlichen Garten.
    »Meine Güte, was für ein Zufall, dass Sie ausgerechnet davon anfangen«, sagte Marjet, als sie mit einem Marjolein-Bastin-Tablett aus der Küche kam, auf dem zwei klappernde Kaffeetassen und eine Keksdose standen.

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