Blutige Erde Thriller
großer Teil der Hauptstadt lag im Dunkeln, denn die Stromausfälle, zu denen es überall im Land gelegentlich kam, waren während der letzten Tage zu einem chronischen Problem geworden. Josh stand am Rand einer kleinen Gasse in einem der wenigen Viertel, in denen es noch Strom gab. Nackte Glühbirnen hingen an Kabeln zwischen den einzelnen Gebäuden und beleuchteten die schwer bewaffneten Soldaten, die in den Straßen patrouillierten. Sie wirkten ungewöhnlich wachsam. Wahrscheinlich fürchteten sie, dass der Mangel an Elektrizität die Rebellen ermutigen könnte, deren Angriffe zunehmend aggressiver wurden.
Josh hatte sein Möglichstes getan, um nicht in die Hauptstadt kommen zu müssen. Auf der Suche nach einer funktionierenden Telefon- oder Internetverbindung hatte er in nicht weniger als zehn Dörfern und Kleinstädten angehalten, ohne Erfolg. Alle waren sich einig - und äußerten dies mit jenem unerschütterlichen afrikanischen Fatalismus -, dass sich in absehbarer Zeit nichts an den Problemen ändern würde.
Somit war ihm nichts anderes übriggeblieben, als seinen gestohlenen Pick-up direkt in Trents und Mtitis Hinterhof - das noch immer mit Elektrizität versorgte Geschäftsviertel - zu steuern, bevor er ihn stehen ließ und die letzte halbe Meile zu Fuß zurücklegte. Mit Jeans, einem Kapuzensweatshirt und den Händen in den Taschen wirkte er anonym genug, um es bis zu einer winzigen Ladenfront zu schaffen, auf deren hell beleuchtetes Fenster
die Worte »Hier Telefon und Internet« gesprüht worden waren.
Es gab in Joshs Leben viele Dinge, die er bereute, aber nur wenige Augenblicke, von denen er wirklich sagen konnte, dass sie ihn immer wieder heimsuchten. Der Moment, als Laura bei seiner Verurteilung geweint hatte, war einer davon. Und jetzt konnte er das Bild Annikas hinzufügen, die, am Rand einer leeren Straße stehend, in seinem Rückspiegel immer kleiner wurde. Nach ein paar Meilen hatte er anhalten müssen, so überwältigend war das Bedürfnis gewesen, zu ihr zurückzukehren, auch wenn ihm vollkommen klar war, dass das zu nichts führen konnte. Es war sinnlos zusammenzubleiben. Sie war sicherer dort, wo sie war. Sicherer ohne ihn.
Es gab nur sehr wenige Menschen in seinem Leben, die ihm wirklich etwas bedeuteten, und jetzt hatte er es geschafft, zwei von ihnen in Lebensgefahr zu bringen. Es wurde Zeit, dass er aufhörte, den hilflosen Ausländer zu spielen, und dafür sorgte, dass sie in Sicherheit waren. Was mit ihm geschehen würde, war nicht mehr wichtig.
Eine Gewehrsalve erklang. Es war mindestens die zehnte, die er innerhalb der letzten Stunde gehört hatte, und die Soldaten, die schräg gegenüber von Josh mitten auf einer Kreuzung tranken, setzten sich halbherzig in die entsprechende Richtung in Bewegung. Als sie außer Sichtweite waren, ging er nervös über die Straße und betrat den Laden, den er zuvor schon eine Weile beobachtet hatte.
Das Geschäft war mit den verschiedensten Dingen vollgestopft. Es gab ein wenig von allem - westliche und afrikanische Medikamente, gebrauchte Kleidung, Videokassetten, Konservendosen. Im hinteren Bereich befand sich ein schmutziger Computer, und als Josh darauf deutete, nickte der Mann hinter der Theke.
Josh setzte sich auf einen hochkant stehenden Holzstumpf, der als Stuhl diente, und musterte skeptisch den Bildschirm. So unwahrscheinlich es auch schien, die Internetverbindung funktionierte. Und, was noch unwahrscheinlicher schien, sie war sogar relativ schnell. Alle paar Sekunden sah er über seine Schulter, doch das Geschäft blieb leer, und der Mann hinter der Theke schien völlig gefesselt von dem Bild Umboto Mtitis, das auf einem winzigen Schwarzweißfernseher zu erkennen war. Der verzerrte, wütende Klang seiner Stimme erfüllte den Laden und weckte dasselbe Unbehagen, wie das Summen eines nicht allzu weit entfernten Hornissennests es getan hätte.
Josh war klar, dass er so schnell wie möglich von hier verschwinden musste, doch es gab eine lange Liste von Aufgaben, die er zuerst abzuarbeiten hatte. Er musste versuchen, das amerikanische Konsulat zu erreichen, denn seine Versuche, in die Botschaft zu gelangen, waren durch die Straßensperren des Militärs zunichtegemacht worden. Außerdem musste er versuchen, das Satellitentelefon, das er bei Annika zurückgelassen hatte, wieder in Betrieb zu setzen. Doch das Wichtigste zuerst. E-Mails.
Er spürte, wie eine Welle der Panik ihn zu erfassen drohte, als er keine Nachricht von Laura vorfand,
Weitere Kostenlose Bücher