Blutige Erde Thriller
er einen Rückzieher machte und den Artikel nicht veröffentlichte, würde Mtiti Josh und Annika letzten Endes finden, und das würde ihren sicheren Tod bedeuten. Wenn er den Artikel jedoch veröffentlichte, war unmöglich vorherzusehen, was mit Mtiti und seinem Land geschehen würde. Angesichts der Geschichte jener Gegend schien es ihm am wahrscheinlichsten, dass ein blutiger Stammeskrieg ausbrechen würde, der Zehntausende das Leben kosten und zu einem Flüchtlingsproblem führen würde, das die Nachbarländer mit in den Konflikt hineinziehen könnte. Und das wiederum würde zu … gar nichts führen.
Er trank den Scotch, wobei er mit geradem Rücken dastand und sein Gesicht im dunklen Fenster über der Spüle musterte. Seine Haut hatte unter der Sonne gelitten, wodurch er älter aussah, als seine Geburtsurkunde angab. Wenn es nach ihm ging, hatte die Geburtsurkunde Unrecht - er hatte die übliche Lebensspanne eines Menschen schon dreimal hinter sich. Oder zumindest hatte er so viele grauenhafte Dinge gesehen, die Menschen einander antun konnten, dass es für drei Leben reichte.
Wie erhofft nahm der Scotch den Dingen ein wenig von ihrer Schärfe, und JB ging ins Wohnzimmer zurück. Tracy saß an einem Tisch und tippte auf ihrem Laptop, während Page auf dem Boden Papierstapel sortierte.
»Hast du dir diese Zahlen angeschaut?«, fragte Page. »NewAfrica verwaltet mehr als fünfundsiebzig Millionen Dollar, die aus USAID- und UN-Programmen stammen. Was meinst du, wie viel davon haben sie wohl in ihre eigenen Taschen umgeleitet? Die Prüfberichte, die wir haben, geben ihnen ausgezeichnete Bewertungen.«
Flannary zuckte mit den Schultern. »Die Aufsichtskommission richtet ihr Augenmerk auf Kompetenz und Effizienz. Wenn das Hauptziel einer Organisation darin
besteht, genau diese Illusion zu erzeugen, dann dürfte es nicht schwierig sein, sie hinters Licht zu führen.«
Tracy sah von ihrem Laptop auf. »Wenn die Inspektoren annehmen, dass es sich bei NewAfrica um eine ehrliche Hilfsorganisation mit guten Absichten handelt, bekommen sie von deren wirklichem Vorgehen überhaupt nichts mit. So krank und pervers Fedorov auch ist, man muss ihn fast für seine Idee bewundern.«
Sie wirkte vor Aufregung ganz hibbelig. Das war die Story, von der sie ihr ganzes Leben lang geträumt hatte - also etwas mehr als zwanzig Jahre lang. Sie stellte sich vor, dass sie zu jener Art Heldin werden würde, die jede Journalistikstudentin unbedingt sein wollte. Sie würde einen hinterhältigen Akteur des organisierten Verbrechens zu Fall bringen und Millionen hilfloser Afrikaner aus den Klauen einer bösen und korrupten Regierung befreien. JB versuchte sich zu erinnern, ob er jemals jung genug gewesen war, um die Welt in so simple Konzepte aufzuteilen.
»Hat dein Junge Fotos von dem Massengrab gemacht?«, fragte Page.
»Mein Junge? Er ist nicht mein Junge.«
»Du hast ihn doch hingeschickt, oder etwa nicht?«
»Nein, verdammt nochmal! Ich habe ihn nicht hingeschickt! Ich habe ihn aufgefordert, sich doch mal eines der älteren Projekte von NewAfrica anzusehen. Mehr nicht.«
Sein Ton ließ Tracy von ihrem Laptop aufblicken, und Page hob abwehrend die Hände. »Nur die Ruhe, JB. Ich mache dir überhaupt keinen Vorwurf. Ich will einfach nur wissen, ob wir irgendwelche Beweisfotos haben.«
»Ich glaube, die beiden waren eher damit beschäftigt, den Kugeln auszuweichen, die man auf sie abgefeuert hat.«
»Besteht irgendwie die Möglichkeit, dass sie noch einmal zurückkehren und uns ein paar Bilder besorgen könnten? Scheiße, wenn wir Fotos davon hätten, wie die Typen diese Leichen umlagern, dann könnten wir -«
»Drehst du jetzt völlig durch, Bob? Sie sind wahrscheinlich schon tot, und wenn sie’s nicht sind -«
»Schrei mich nicht an, JB. Ich bin auf deiner Seite, oder hast du das vergessen? Ich möchte nur, dass diese Story so wirkungsvoll wie möglich wird. Ich will, dass das Ganze in Washington wie eine Bombe hochgeht. Und du willst das auch. Ich bin quasi bereit, dir so viel Platz zu geben, wie du brauchst, und vielleicht noch ein paar zusätzliche Seiten, auf denen du dich über das Versagen von Hilfsorganisationen im Allgemeinen auslassen kannst. Aber wir brauchen die Reaktionen von USAID und der UN. Wir müssen mit Mtitis Opposition innerhalb des Landes sprechen, und wir müssen herausfinden, wohin das ganze Geld verschwunden ist. Wenn wir genügend Zeit investieren, könnte ich mir die Sache auf dem Titel vorstellen. Was
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