Blutige Erde Thriller
viel, du kennst es ja.«
Eines war ihm schon vor langer Zeit klargeworden: Wenn sie einen Satz mit »du kennst es ja« abschloss,
meinte sie das genaue Gegenteil von dem, was sie gesagt hatte. Die schlechten Nachrichten würden noch folgen.
»In der Schule läuft es immer noch gut?«, fragte er. »Du hältst die Abschlussrede, stimmt’s? Wie sieht’s wegen des Stipendiums aus?«
»Welches Stipendium? Du wirst doch reich sein, oder?«
»Das beantwortet nicht meine Frage.«
»Es ist noch nicht raus, ob ich es bekomme oder Erica Pratt.«
Er zwang sich zu einem sorglosen Schulterzucken, obwohl sich ihm der Magen zusammenzog. »Hey, kein Druck. Die Eltern von diesem Mädchen sind reicher als Gott, und sie ist zwei Jahre älter als du.«
»Die zwei Jahre spielen keine Rolle, aber die Sache mit dem Reichsein ist das Problem. Ihre ›Tutorin‹«, sagte sie und deutete mit den Fingern Anführungszeichen an, »erledigt alle ihre Hausaufgaben und Referate, und in den Tests pfuscht sie. Allerdings bringt das Autogeschäft ihres Vaters angeblich nicht mehr so wahnsinnig viel ein. Also hoffe ich darauf, dass er bald dümmere Tutorinnen anstellen muss.«
»Arbeitest du noch?«
»Im Lebensmittelladen. Die Leute da sind nett.«
Der Wohnwagen, der seinen Familiensitz darstellte, kam jetzt zwischen den Bäumen zum Vorschein, und er verlangsamte seine Schritte ein wenig; es bereitete ihm Sorgen, dass er noch nicht aus ihr hatte herauskitzeln können, was sie ihm vorenthielt. O Gott. Sie könnte doch nicht etwa schwanger sein, oder?
Sein Magen war jetzt so verkrampft, dass es sich anfühlte, als wüchse dort in diesem Augenblick ein Geschwür heran, und stumm bläute er sich ein, dass Laura ein kluges Mädchen war und eine geradezu geschichtsträchtige Abneigung gegenüber den Jungs hegte, die mit ihr auf
die Highschool gingen. Wie schnell änderten sich solche Dinge? Hormone waren mächtig und unvorhersehbar.
Benommen deutete er auf die leere Lichtung, wo üblicherweise der Wagen geparkt war. »Wo ist der Granada?«, fragte er und versuchte, die Schreckensszenarien, die in seinem Kopf herumspukten, mit Hilfe von etwas Banalerem zu vertreiben.
Sie antwortete nicht sofort. »Bitte werd jetzt nicht wütend …«
Er stieß langsam den Atem aus und spürte, wie die Anspannung aus seinem Körper wich. Sie war nicht schwanger. Sie hatte nur den Wagen zu Schrott gefahren. »Was ist passiert, Laura?«
Er hatte die Frage kaum gestellt, als hinter ihnen das Geräusch eines Motors ertönte. Er sah die besorgte Miene seiner Schwester, drehte sich um und erkannte den fleckigen Lack, als der alte Ford fünfzig Meter hinter ihnen die Hügelkuppe erreichte.
»Fawn hat ihn ausgeliehen«, sagte Laura zögernd.
Er starrte den Wagen an, der angesichts seiner rostigen Federung viel zu schnell auf sie zusteuerte und dann an ihnen vorbeischoss, während die ganze Aufmerksamkeit der Fahrerin dem Handy galt, in das sie gerade hineinsprach.
»Das soll jetzt wohl ein beschissener Witz sein …«
»Josh -«, begann Laura, verstummte jedoch, als er herumwirbelte und ihr ins Gesicht sah.
»Ich habe meinen Boss auf Knien um diesen Wagen angebettelt und dann eine Woche lang nicht geschlafen, um ihn wieder zusammenzuflicken. Und wozu? Dass Fawn damit in der Gegend herumfahren kann?«
»Wenn du es so ausdrückst, klingt es so schlimm.«
»Spar dir die Sprüche, Laura. Ist das der Grund, warum ich vom Flughafen hierhertrampen musste?«
»Ich habe dir schon gesagt, dass es mir leidtut.«
»Wie viel?«
»Was?«, fragte sie und starrte zu Boden.
»Verdammt, du weißt genau, was ich meine. Wie viel Geld hat sie Mom aus dem Kreuz geleiert?«
»Nicht so viel.«
»Ich will, dass dieses diebische Miststück hier verschwindet, Laura.«
»Ich weiß, aber Mom wird nie -«
Wieder verstummte sie, als Josh sich abwandte und davonstapfte.
»Fawn! Was zum Teufel machst du hier?«
Sie stieg aus dem Wagen, versuchte, lässig ihr Haar zurückzuwerfen, was jedoch durch zu viel Haarspray vereitelt wurde, und beugte sich über den Rücksitz, um eine Schachtel hervorzuholen.
Fawn Mardsen war die Tochter des zweiten Stiefvaters von Josh und Laura. Sie war also eigentlich keine Blutsverwandte, wurde jedoch oft dafür gehalten, da Laura und sie sich oberflächlich betrachtet ähnelten. Obwohl Fawn ein paar Jahre älter war, war sie genauso groß, hatte denselben zarten, fast kränklich wirkenden Körperbau und färbte sich die Haare in einem Ton, der Lauras
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