Blutige Erde Thriller
natürlicher Haarfarbe entsprach. Auch ihre bleiche Haut war nicht genetisch bedingt wie bei Laura, sondern ein Anzeichen ihrer Abneigung gegen den Aufenthalt im Freien und gegen jede Art von ehrlicher Tagesarbeit.
Sie hievte die Schachtel hoch und drehte sich selbstsicher um, zögerte jedoch, als sie gezwungen war, Josh ins Gesicht zu blicken. »Hey, ich habe dich eben auf der Straße gar nicht gesehen. Herzlichen Glückwunsch zu deinem Abschluss. Muss’ne ziemliche Erleichterung sein, was?«
Er schwieg.
»Tut mir leid, dass ich dich nicht vom Flughafen abgeholt habe, aber weißt du, ich war echt super beschäftigt.«
»Ach ja?«, sagte er. »Und womit? Hast du einen Job?«
»Ja«, blaffte sie zurück. »Ich habe einen guten Job.«
»Fawn ist dabei, sich selbstständig zu machen«, sagte Laura und trat unauffällig zwischen die beiden.
»Ja, und es läuft wirklich gut«, sagte Fawn. »Wenn ich so darüber nachdenke, ist es vielleicht sogar eine Gelegenheit, die dich interessieren könnte. Deine Mom steigt gleich von Anfang an mit ein. Eine kluge Entscheidung.«
»Eine kluge Entscheidung? Und was ist mit dem Geld passiert, das Mom in dein letztes Geschäft gesteckt hat, Fawn? Worum ging es da nochmal? Irgendwas mit Haustierpflege im Internet?«
Als es offensichtlich wurde, dass er ihr nicht aus dem Weg gehen würde, stellte Fawn die Schachtel ab und zündete sich eine Zigarette an. Sie nahm einen langen Zug, bevor sie wieder sprach. »Ja. Und was machst du? Abgesehen davon, in Kursen zu sitzen, die hundert Riesen im Jahr kosten?«
Joshs Augen weiteten sich, und Laura griff nach seiner Hand. »Josh, sie wollte damit nicht -«
»Wer hat den Wagen organisiert, mit dem du herumfährst, Fawn? Du? Oder war ich das?« Er deutete mit dem Daumen hinter sich auf den heruntergekommenen Wohnwagen. »Wer sorgt dafür, dass in dem Ding die Heizung läuft? Oh, ja. Das bin ich. Was genau trägst du bei?«
»Scheiße, Josh, für wen hältst du dich eigentlich? Mr Ich-bin-besser-als-alle-anderen-denn-ich-war-auf-dem-College. Du bist nie hier. Du warst schon seit Jahren nicht mehr hier.«
»Verschwinde, Fawn. Ich will dich hier nicht mehr sehen.«
Sie lachte nur, warf die Zigarette auf den Boden und trat sie mit einem Schuh aus, der recht teuer aussah. »Was willst du tun, Josh? Mag sein, dass du die Rechnungen bezahlst, aber das alles gehört immer noch deiner Mutter. Und lass dir eins gesagt sein, du fliegst hier eher raus als ich. Du behandelst diese Frau einfach nicht ordentlich. Ich schon.« Sie hob die Schachtel auf, rempelte ihn im Vorbeigehen leicht an, trat durch die Tür und rief nach seiner Mutter. »Momma? Wie geht’s dir heute? Alles in Ordnung?«
Josh holte ein paarmal tief Luft und versuchte, nicht mit den Zähnen zu knirschen. Der einzige Zahnarzt, bei dem er in den letzten sechs Jahren gewesen war, hatte ihm gesagt, dass er mit vierzig keine Zähne mehr haben würde, wenn er damit weitermachte.
»Josh«, begann Laura. »Du musst -«
Er hob die Hand und brachte sie erneut zum Schweigen.
Was ihn wirklich wütend machte, war die Tatsache, dass Fawn nicht einmal völlig Unrecht hatte. Sie gab seiner Mutter genau das, was diese brauchte - eine Versagerin, um die sie sich kümmern konnte. Mehr als alles andere wollte seine Mutter gebraucht werden, und es war ihr Fluch, dass sowohl er als auch Laura alleine besser zurechtkamen.
»Nichts von dem Geld, das du im Laden verdienst, geht an sie, oder, Laura?«
»Ich bitte dich. Ich bin nicht dumm.«
Als Fawn das erste Mal vor ihrer Tür aufgetaucht war, hatte sie Josh leidgetan. Ihr Vater war ein ganz außerordentlicher Scheißkerl, und es war offensichtlich, dass sie Hilfe brauchte. Sie blieb ein paar Monate bei ihnen, rührte selbst keinen Finger, erwartete, dass Laura und er sie auf Schritt und Tritt bedienten, und verschwand
schließlich zur gleichen Zeit wie ein Schmuckstück, das noch von Joshs und Lauras Großmutter stammte - wahrscheinlich der einzig wertvolle Gegenstand, den die Familie jemals besessen hatte. Mittlerweile kam sie mindestens einmal pro Jahr wieder, pleite und immer darauf aus, alles mitzunehmen, was sie bekommen konnte.
Er stieg die rissigen Holzstufen hoch, riss die Tür auf und ignorierte Fawn, an der er sich vorbeischob, um zum Schlafzimmer im hinteren Teil des Wohnwagens zu gelangen.
Er fand seine Mutter auf dem Bett liegend. Sie trug einen Bademantel, der mit den Jahren so sehr ausgebleicht war, dass er nun dieselbe Farbe wie
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