Blutige Erde Thriller
sich Gideon schon seit einiger Zeit freute. Zunächst einmal würden sie sehr leiden müssen. Sie würden um ihren Tod betteln.
Er zog eine Pistole aus seinem Gürtel und schob sich durch das Laub, während er zusah, wie Hagarty sich durch die Erde um die Leiche der alten Frau herumwühlte. Zwischen ihnen lagen mehr als fünfzig Meter, und bevor er sich zeigen würde, musste Gideon eine Stelle finden, von der aus er ihnen den Fluchtweg abschneiden konnte. Er war nicht in der Stimmung für eine Verfolgungsjagd.
Hagarty fand das Telefon und begann sofort, einige Knöpfe zu drücken, doch anstatt es an sein Ohr zu halten, hielt er es locker in der Hand und beobachtete den Rand der Lichtung. Einen Augenblick später fing das Telefon in Gideons Tasche an zu klingeln. Das Geräusch zerriss die Stille und trieb die Vögel in den Bäumen über ihm in die Flucht.
Als es ihm endlich gelang, das Klingeln abzustellen, rannten Hagarty und die Frau bereits den Weg zurück, den sie gekommen waren.
NEUNUNDZWANZIG
JB Flannary drückte sich an die Wand des Apartmentgebäudes und suchte im Hauseingang Schutz gegen den Wind. Trotzdem zitterte er in seinem geliehenen Mantel vor Kälte. Die eisigen Temperaturen und die Tatsache, dass es im Winter so rasch dunkel wurde, gehörten zu den Dingen, die er in Amerika am meisten hasste.
Das NewAfrica-Logo an dem Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite schimmerte im Scheinwerferlicht der vorbeifahrenden Autos. Flannary versuchte erfolglos, einen Blick auf das zu erhaschen, was hinter den dunklen Fenstern vor sich ging. In den fünfzehn Minuten, die er bereits hier stand, war niemand hinaus- oder hineingegangen, doch das war nicht weiter überraschend. Hilfsorganisationen - selbst böse und kriminelle - hielten sich in der Regel an die üblichen Bürozeiten.
»Tut mir leid, dass ich zu spät bin!«
Aus irgendeinem Grund schaffte es die durchdringende Fröhlichkeit in Tracy Collins’ Stimme, ihn zusammenfahren zu lassen, während das einem feuernden Maschinengewehr schon längst nicht mehr gelang. Er sah in ihr lächelndes Gesicht, als sie auf ihn zukam. Sie trug einen Rucksack über ihrer in Wolle gehüllten Schulter.
»Haben Sie alles?«
»Natürlich, JB! Keine Frage.«
Er bemühte sich, ein wenig Zynismus - oder zumindest ein bisschen Skepsis - zusammenzukratzen, doch es fühlte sich künstlich an. Während der letzten beiden Tage hatte Tracy bewiesen, dass Jugend und Beschränktheit
nicht unbedingt Hand in Hand gehen mussten. Während er sich bei den immer schwachsinnigeren Festlichkeiten, die der Hochzeit seines Bruders voranschritten, so sehr betrank, dass er alles um sich herum vergaß, hatte sie sich in etwa gleichem Maße von Woodward, Bernstein und Steve Jobs inspirieren lassen.
Tracy drängte sich an ihm vorbei und klingelte bei einer der Wohnungen, während sie in ihren Absatzschuhen leicht auf und ab wippte. Er war nicht sicher, ob das an der Kälte oder an der Aufregung lag.
»Warum wollten Sie eigentlich Reporter werden, JB?«
»Wie?«
»Ich habe mich dazu entschlossen, weil ich so viel Unrecht gesehen habe, über das nie berichtet wurde, wissen Sie? Die Medien sind so faul geworden. Ganz anders als in Ihrer Generation.«
Eine Stimme aus der Gegensprechanlage ersparte ihm die Antwort.
»Ja?«
»Hi, hier ist Tracy Collins. Wir haben miteinander gesprochen.«
Der Türsummer ertönte, und Flannary folgte seiner jungen Assistentin ins Treppenhaus.
»Ich weiß, dass das naiv klingt, JB, aber ich glaube noch immer, dass die Presse das Leben der Menschen verändern kann. Wir sind nur vom richtigen Weg abgekommen. Anstatt das Denken der Menschen herauszufordern, bestärken wir sie einfach nur in ihren Überzeugungen, wissen Sie? Aber ich glaube, das wird sich ändern.«
»Wirklich?«
Sein Kater schien immer schlimmer zu werden, aber da das biologisch unmöglich war, musste es an seiner Nähe zu diesem reinen Bündel positiver Energie liegen. Hoffentlich konnten sie alles Notwendige so schnell wie
möglich hinter sich bringen, so dass er danach auf dem Rückweg ins Hotel irgendwo einen Schluck trinken konnte.
Tracy klopfte an eine der Türen im dritten Stock, die sofort von einer Frau Mitte fünfzig geöffnet wurde.
»Hi, ich bin Tracy, und das ist mein Chef JB Flannary. JB, das ist Ms. Jones.«
»Angenehm«, sagte er und schüttelte ihr die Hand, während er misstrauisch ihre leicht nervöse Miene musterte. Er traute Menschen nicht, die Jones hießen. Es
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