Blutige Fehde: Thriller (German Edition)
verstanden? Sagen Sie mir, wo die beiden sind.«
Tränen schossen ihr in die Augen. Mit einem zitternden Finger zeigte sie auf die Tür. »Im Haus«, sagte sie. »Oben.«
»Bringen Sie mich hin.« Er trat noch einen Schritt näher heran. »Sofort.«
Eine Träne tropfte aus den Augen. »Töten Sie mich nicht. Bitte.«
»Bringen Sie mich einfach nur hin«, sagte Lennon. »Wenn Sie mich sofort zu ihnen bringen, tue ich Ihnen nichts.«
»Ich habe nichts damit zu tun«, jammerte Orla so hektisch, dass sie sich beinahe verhaspelte. Ihre Nase lief, das Gesicht war verzerrt vor Angst. »Es ist mein Da, der hat das alles angestellt, ich weiß nichts davon, ich wollte nie jemandem etwas zuleide tun, ich hätte ihn nie hier wohnen lassen, wenn ich gewusst …«
»Halten Sie den Mund«, unterbrach Lennon sie. Noch ein Schritt, und nun zitterte die Mündung der Glock nur noch Zentimeter vor ihrer Stirn. »Halten Sie endlich den Mund und bringen Sie mich zu ihnen.«
»In Ordnung«, wimmerte die Frau. »Tun Sie bloß nichts Unüberlegtes.«
»Los«, befahl er. »Sie gehen vor.«
Orla ging rückwärts zur Tür und starrte dabei weiter Lennon an, der ihr folgte. Auf der Treppe stolperte sie und drehte sich um, damit sie sah, wo sie hintrat. Die Tür stand offen. Sie betrat das dunkle Innere des Gebäudes.
Lennon folgte ihr in ein Mittelding aus Eingangshalle und Waschküche. An der jenseitigen Wand stand eine Reihe großer Waschmaschinen und Trockner. Die Decke darüber war mit Mehltau überzogen, die Luft roch feucht und stickig. Vor den Maschinen hatte sich eine Wasserpfütze gesammelt.
Orla ging zu einer Tür auf der linken Seite, die in einen Raum führte, der ganz mit Aluminium und Edelstahl ausgekleidet war. Früher wohl einmal die Küche eines traditionellen Landhauses, war es nun ein vergammeltes Catering-Business, mit Friteusen, badewannengroßen Spülbecken, schmuddeligen Kochplatten und Öfen so groß, dass man einen Menschen hätte hineinstecken können. Der Gedanke spornte Lennon weiter an.
»Beeilung«, sagte er und drückte ihr die Pistole zwischen die Schulterblätter.
Orla stöhnte auf und beschleunigte ihren Schritt. Sie hielt auf eine gläserne Schwingtür mit verschmierten Scheiben zu. Als sienoch drei Meter davon entfernt war, wurden ihre Trippelschrittchen plötzlich länger, dann trabte sie los.
»Nicht«, rief Lennon und eilte ihr nach, doch als er sie an der Jacke packen und einfangen wollte, verlor er das Gleichgewicht.
Sie schlug seine Hand weg und rannte die wenigen Meter bis zur Tür. Er war nur ein paar Zentimeter hinter ihr, doch die Pistole in seiner Hand eine leere Drohung. Sie langte nach der Türkante und schlug sie Lennon gegen die ausgestreckten Hände, als er gerade versuchte zu zielen.
»Da!«, schrie sie immer wieder. Als Lennon sich durch die Tür drückte, sah er, wie sie stolperte und hinschlug. »Da!«, schrie sie, und noch einmal: »Da!«
Lennon sah nur die Umrisse eines Mannes und konnte im Dunkeln kaum dessen Gestalt ausmachen, bevor er die Glock hob und feuerte.
92
Die Schüsse ließen den Nomaden innehalten. Er hätte es nie zugegeben, aber eigentlich war er erleichtert, dass er jetzt eine Entschuldigung hatte und Fegans ungerührten Blick nicht mehr ertragen musste. Dieser Irre hatte kaum gezuckt, als der Nomade damit begonnen hatte, sein Ohrläppchen abzuschneiden. Einzige äußerliche Anzeichen von Schmerz waren die mahlenden Kinnmuskeln und ein Schweißfilm auf der Stirn gewesen. Das Blut rann ihm in einem dunkelroten Rinnsal den Hals hinunter und troff in seine Kleider.
»Da!« Zwischen den Schüssen ein schriller Schrei, Orla O’Kanes Stimme übertönte allen Lärm. »Da! Da!«
»Was zum Teufel ist da los?«, fragte Bull O’Kane.
Der Nomade ließ Fegans Ohr los, das trotz eines über einen Zentimeter langen Einschnitts noch am Kopf hing. Er sprach O’Driscoll und Ronan an. »Haltet ihn fest! Ich sehe mal nach.«
»Warte«, befahl Bull O’Kane.
Der Nomade achtete nicht auf Bull, sondern ging zur Doppeltür, die in den Flur und zur Treppe führte. Er zog die Glock aus dem Hosenbund. Dann öffnete er die Tür einen Spaltbreit und legte sein Auge an die Öffnung. Nichts.
»Ich sagte, du sollst warten!« Angst schwang in Bulls Stimme mit.
Der Nomade lehnte sich in den Flur hinaus. Er versuchte sichnoch den Grundriss der Eingangshalle zu vergegenwärtigen. Rechts führte eine breite Treppe nach oben, machte dann kehrt und ging weiter bis auf die Galerie,
Weitere Kostenlose Bücher