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Blutige Rache

Titel: Blutige Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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erwiderte sie. »Er sieht nämlich aus, als würde er gleich sein Surfbrett holen. Falls es hier in der Gegend irgendwo Wellen gibt.«
    Virgil lachte. »Nun hacken Sie nicht beide auf mir rum.«
    »Toll, dieser Hinterwäldlerakzent«, sagte Sinclair zu Mai. »Sanft wie eine Frühlingsbrise.«
    »Lassen wir den Quatsch. Ich weiß nicht mal, warum ich mich mit Ihnen unterhalte.«
    Virgil wollte aufstehen, doch Sinclair hielt ihn mit einer Geste zurück. »Sanderson und der andere wurden also hingerichtet? Meinen Sie das?«
    »Ja, so sieht’s aus.« Nach kurzem Zögern fügte Virgil hinzu:
»Und da wär noch was anderes: Sie hatten beide eine Zitrone im Mund.«
    »Scheiße.« Aus Sinclairs Mund klang das Wort merkwürdig, fast obszön.
    »Was?«
    Sinclair bedachte Mai mit einem Blick. »Wenn Vietnamesen einen politischen Gefangenen oder Mörder exekutieren, stopfen sie ihm als Knebel eine Zitrone in den Mund und fixieren sie mit Isolierband. Damit der Hinzurichtende auf dem Weg zum Exekutionsplatz nichts sagen kann.«
    »Interessant«, erwiderte Virgil.
    Mai verdrehte die Augen. »Wieder so ein Mythos.«
    »Was weißt du schon davon?«, herrschte Sinclair sie an.
    Seine Tochter wandte das Gesicht ab, peinlich berührt über seinen gekränkten Tonfall. »Mir ist das alles zu melodramatisch. Warum sollte jemand so was machen?«
    »Es läuft aber so«, widersprach Sinclair gereizt und fügte an Virgil gewandt hinzu: »Es scheint tatsächlich mit Vietnam zu tun zu haben. Ich an Ihrer Stelle würde mir Sandersons Akte sehr genau ansehen, überprüfen, ob darin etwas geschwärzt wurde und in welcher Einheit er war. Die Vietnamveteranen werden allmählich alt und haben keine Angst mehr vor dem Tod. Vielleicht handelt es sich um einen Einzelgänger mit einer Mission, möglicherweise sogar um einen richtig guten, wenn er bei Phoenix war …«
    »Von Phoenix hab ich in meiner aktiven Zeit gehört«, sagte Virgil. »Klang mir sehr nach einer Räuberpistole.«
    »Klar!«, rief Sinclair aus, beugte sich vor und begann, mit den Knöcheln auf den Tisch zu hämmern. »Aber es ist was Wahres dran. Wir hatten tatsächlich gedungene Killer und brachten Leute in ihren eigenen Häusern um. Und wir heuerten Männer mit Schalldämpfern an, die zu nichts anderem
taugten als zum Morden. Es gab einen Namen dafür: ›wet work‹ - ›feuchte Arbeit‹! Das können Sie nachprüfen.«
    Virgil schob sein Notizbuch in die Hosentasche und sagte: »Ich mach mich mal lieber auf die Suche nach Ray.«
    Sinclair entspannte sich sichtlich. Zum Abschied wünschte er Virgil lächelnd viel Glück.
     
    Mai begleitete Virgil zur Haustür.
    »Wenn Sie wollen, würd ich Sie gern zum Tanzen ausführen, Ma’am, aber nicht heute Abend, weil ich diesen Typ aufspüren muss«, sagte Virgil. Seine Worte klangen ein wenig unsicher und wirr, das war seine Masche. »Und für morgen und die Tage darauf kann ich auch nichts versprechen, wegen dieser Mordsache, aber wenn ich Sie anrufen dürfte, sobald ich mehr weiß …«
    »Normalerweise bin ich so gegen sechs zu Hause. Sind Sie ein guter Tänzer?«
    »Ein paar Kniffe beherrsch ich.« Er versuchte, bescheiden zu wirken.
    »Ist mir schon aufgefallen, doch ich meine wirklich das Tanzen.«
    Sie mussten beide lachen.
    »Ihre Nummer hab ich, glaub ich«, sagte Virgil.
    Sie ging zum Flurtischchen und holte einen Stift aus der Schublade, um die Nummer auf Virgils Handfläche zu schreiben. Das fand er so erotisch, dass er Angst hatte, sie könnte seine Erregung bemerken. Sie sah ihm lächelnd bis zur Haustür nach.
    Wenn Jesus eine Freundin gehabt hatte, dachte Virgil, war sie wohl Mai ähnlich gewesen.

SIEBEN
     
     
     
     
    Virgil ging zu seinem Truck, stieg ein, überlegte einen Augenblick und fuhr einmal um den Block, so dass der Wagen nun mit der Rückseite in Richtung von Sinclairs Haus stand. Dann kletterte er mit Laptop, Handy, Kamera und einem großformatigen Fotobuch mit dem Titel Photojournalismus nach hinten.
    In Minnesota dürfen Autofenster nur einen bestimmten Tönungsgrad aufweisen, damit Streifenpolizisten eventuell im Wagen befindliche Waffen sehen können. Der von Virgils Truck war doppelt so stark wie erlaubt, weil es sich um ein Fahrzeug handelte, das auch bei Observationen zum Einsatz kam. Außerdem lagen darin oft so viele Utensilien fürs Angeln, Jagen und Fotografieren, dass die Tönung auch als Sichtschutz vor begehrlichen Blicken fungierte.
    Virgil saß, von außen nicht sichtbar, im hinteren Teil

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