Blutige Rache
verrückt oder ein Profi ist. Falls er nach einer Liste vorgeht, wird die Sache übel.«
»Ich sehe, was ich tun kann. Aber ehrlich gesagt, hört sich das eher nach den Russen, Armeniern oder Kasachen an. Die stehen auf Rituale und Warnungen und solchen Scheiß. Die Mafia erschießt dich einfach und begräbt dich neben Jimmy im Wald.«
»Jimmy?«
»Hoffa.«
»Ach so, ja. Soweit ich weiß, steckt man bei Hinrichtungen in Vietnam dem Verurteilten manchmal eine Zitrone in den Mund, als Knebel. Wenn du darüber was rausfinden könntest … Vielleicht über Vietnamveteranen?«
»Ganz schön abgedreht. Ich überprüfe das«, sagte Gomez.
»Noch eins: Versuch rauszukriegen, ob die Abteilung, die sich beim FBI mit Serienmorden beschäftigt, was über Todesfälle
bei Veteranen weiß, egal ob mit oder ohne Zitrone und Denkmal.«
»Okay.«
»Du hast was gut bei mir, Harold.«
Er hatte kaum aufgelegt, als Carol anrief.
»Jemand in Red Lake, der Bunton kennt, will sich mit Ihnen in Verbindung setzen. Sandy hat Fotos von Bunton ausgegraben und per Mail geschickt, zusammen mit den anderen Informationen, die sie über ihn finden konnte, vom Finanzamt und so weiter. In die Datenbank vom Militär kommt sie leider nicht rein, doch im Zusammenhang mit seinen Verurteilungen wegen Trunkenheit am Steuer hat sie einen Vermerk entdeckt, dass er im Veterans Administration Hospital eine Entziehungskur gemacht und in Vietnam gedient hat … Er war also beim Militär.«
»Hab ich mir schon gedacht, aber trotzdem danke.«
In einem fünf Minuten entfernten Starbucks Café orderte er einen Mocha-Frappuccino mit weißer Schokolade, setzte sich an einen Tisch und fuhr den Laptop hoch.
Die Bilder von Bunton zeigten einen harten, vierschrötigen Mann, immer im T-Shirt. Auf einem Bild trug er ein Stirnband mit einer Adlerfeder über dem Ohr. Mit seinen hellen Augen wirkte er nicht wie ein Indianer, sondern eher wie ein Versager von der IRA. War Bunton ein irischer oder ein schottischer Name? Nach Ojibwa klang er nicht gerade.
Die Bunton-Akte bestätigte, was Virgil bereits wusste: Vietnam, Motorräder, Alkohol, Haschisch und hin und wieder ein Job, der mit Autoersatzteilen zu tun hatte.
Virgil fuhr den Computer herunter und warf einen Blick auf seine Uhr.
Verdammter Bunton.
Als er aufstehen wollte, klingelte das Handy. Carol.
»Ja?«, meldete er sich.
»Informell: Der Anruf ging ans Minneapolis Hyatt. Die Nummer vom Hotel hab ich, aber nicht die vom Zimmer …«
Das Minneapolis Hyatt liegt inmitten des Skyway-Systems, und Virgil, an ein solches Gewirr von Schnellstraßen nicht gewöhnt, wählte die falsche Ausfahrt und fuhr zehn Minuten im Kreis herum, bevor er seinen Fehler bemerkte.
Das Hotelfoyer war menschenleer, die Rezeption mit einer jungen Frau besetzt, die für ihren Job viel zu kultiviert wirkte. Virgil ahnte, dass sie auf seine Bitte, ihm Zimmernummer und Gästenamen zu einer Telefonnummer zu nennen, mit einem Anruf beim Manager reagieren würde.
Er blickte sich um. In einer Fensternische saß ein älterer rothaariger Hotelpage, der in dem Sexmagazin Seed blätterte, dem Printmedium einer illegalen Bikergang.
Virgil setzte sich neben ihn. Der Page hätte mit seiner rübengroßen Nase und der graugesträhnten roten Mähne gut und gern einem Horrorfilm über Kobolde entsprungen sein können.
Nach einem prüfenden Blick sagte er Virgil auf den Kopf zu: »Sie sehen aus wie ein Hippie, sind aber ein Cop.« Auf seinem Namensschildchen stand »George«. »Brauchen Sie’ne Nutte?«
»Nein. Ich möchte rausfinden, zu welchem Zimmer eine Telefonnummer gehört, ohne viel Bürokratie. Und das Mädel an der Rezeption scheint Bürokratie zu lieben.«
»Letzten Winter hat mich jemand verpfiffen, weil ich bei der Affenkälte im Treppenhaus geraucht hab. Ich glaub, das war sie. Sie ist militante Nichtraucherin. Blöde Zicke.«
»Reicht Ihre Wut auf sie, mir die Zimmernummer und den Gästenamen zu verraten?« Virgil drehte die Handfläche nach oben; zwischen Zeige- und Mittelfinger steckte ein gefalteter Zwanzig-Dollar-Schein.
»Welche Nummer ist es?«, erkundigte sich George, nachdem er die Banknote an sich genommen hatte.
Virgil notierte sie auf einen Zettel und reichte diesen dem Pagen.
Der Mann verschwand, tauchte aber nach kurzer Zeit wieder auf und sagte: »Tai und Phem, wahrscheinlich Japaner.«
»Japaner?«, fragte Virgil erstaunt. »Die Namen klingen vietnamesisch.«
George zuckte mit den Achseln. »Egal.
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