Blutige Rache
des Trucks auf einem Campingkissen, um zu beobachten, ob Sinclair, aufgescheucht durch seinen Besuch, das Haus verlassen würde.
Er rief Carol an und fragte: »Wo steckt Ray Bunton?«
»Keine Ahnung. Die Kollegen in Red Lake sind alle im Einsatz, wir erreichen niemanden, der zuständig wäre. Aber man hat uns versprochen zurückzurufen.«
»Versuchen Sie’s alle fünf Minuten«, wies Virgil sie an.
Dann schlug er das Fotobuch bei dem Kapitel über »Techniken
für den Sportfotografen« auf, las es und probierte die Tipps mit seiner Nikon aus.
Das Gute an Digitalkameras wie seiner D3 war, dass man die Aufnahmen sofort betrachten konnte. Virgil versuchte sich gerade an einer für ihn neuen Methode, als Mead Sinclair aus dem Haus trat, nach rechts und links schaute und sich Virgils Truck zuwandte.
Virgil machte ein paar Fotos, als Sinclair den Wagen passierte, ohne einen Blick darauf zu werfen. Mit sich selbst redend oder vor sich hin summend marschierte er mit einem handgroßen Spiralblock die Häuserzeile entlang, blieb stehen, notierte etwas und ging weiter. Ein Intellektueller, dachte Virgil.
Am Ende des ersten Blocks überquerte Sinclair die Straße, am Ende des zweiten bog er nach rechts ab, in Richtung Grand Avenue.
Virgil folgte ihm im Truck, beobachtete, wie er die Straßenseite wechselte, nachdem er nach links und rechts geschaut hatte, und verlor ihn dann aus dem Blick.
Virgil umrundete den Block. Sinclair überquerte gerade die Grand Avenue, um ein Restaurant zu betreten.
Sinclair hatte behauptet, er habe gerade gegessen. Warum also das Lokal? Virgil stellte den Wagen ab.
Kurz darauf erschien Sinclair wieder, allein, und ging in die Richtung zurück, aus der er gekommen war, wahrscheinlich nach Hause. Virgil lenkte den Wagen zu seinem Gebäude, und da tauchte Sinclair auch schon auf.
Plötzlich wurde Virgil bewusst, dass er möglicherweise einen Fehler gemacht hatte, seinen Posten vor dem Restaurant zu verlassen, und er kehrte zurück.
Er wartete zehn Minuten, bis zwei ältere Damen heraustraten. Fünf Minuten später folgten zwei dicke Männer in Golfhemden,
von denen der eine sein Gebiss mit einem Zahnstocher bearbeitete. Sie stiegen in einen Cadillac und entfernten sich.
Nach einer Weile beschloss Virgil, selbst in dem Lokal nachzusehen, und ging hinein. Während er noch den Blick über die zehn oder zwölf Gäste schweifen ließ, fragte ihn schon eine Kellnerin, ob er einen Tisch für eine Person benötige.
»Hm, ich wollte mich hier mit jemandem treffen, bin aber zu spät dran; könnte sein, dass ich ihn verpasst hab. Ein gutaussehender Mann, nicht mehr ganz jung, blond …«
»Ach, der Professor?«
»Ja, genau.«
»Er war hier, hat kurz telefoniert und ist dann wieder gegangen. Vielleicht wollte er Sie anrufen.«
Virgil bedankte sich. Dabei fiel sein Blick auf ein altmodisches schwarzes Münztelefon an der Wand neben den Toiletten. »Ich versuche, ihn zu erreichen.«
Er nahm den Hörer ab, so dass die zuletzt gewählte Nummer auf dem Display erschien. Virgil notierte sie auf seiner Handfläche, gleich unter der von Mai.
Draußen dachte er nach: Sinclair war vier Häuserblocks weit gegangen, um von einem öffentlichen Telefon aus telefonieren zu können. Interessant …
Er notierte die Uhrzeit und rief Carol an. »Würden Sie bitte eine Erlaubnis zur Überprüfung der von einem öffentlichen Telefon in Stern’s Café an der Grand Avenue aus geführten Gespräche besorgen? Ich gebe Ihnen die Nummer …«
»Soll ich das zuerst informell machen?«
»Wenn das geht. Schon was Neues aus Red Lake?«
»Noch nicht. Ich bleibe dran.«
Virgil legte auf, holte das schwarze Notizbüchlein aus seiner Aktentasche und wählte eine Nummer.
»Harold? Virgil Flowers aus Minnesota.«
»Hallo, Virgil. Was gibt’s?«
»Ich bin einem Killer auf der Spur, der zwei ältere Männer erschossen, ihre Leichen am Fuß von Veteranendenkmälern abgelegt und ihnen eine Zitrone in den Mund gesteckt hat. Kaliber.22, zwei Schüsse, wahrscheinlich mit Schalldämpfer. Klingt das nach Kartellen, Mafia oder so?«
»Nein«, antwortete Harold Gomez von der Drogenbehörde. »Ihr habt wirklich merkwürdige Fälle.«
»Hast du einen direkten Draht zum FBI, zur Abteilung für Serienmorde oder wie das heißt? Und könntest du die Sache mit der Zitrone überprüfen?«
»Klar. Wie schnell brauchst du die Information?«
»So schnell wie möglich. Wir wissen nicht, ob der Täter sich noch in der Gegend rumtreibt, ob er
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