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Blutige Seilfahrt im Warndt

Blutige Seilfahrt im Warndt

Titel: Blutige Seilfahrt im Warndt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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eine Herausforderung. Es war ein Spiel mit dem Feuer. Beide Ausbildungsberufe steckten in dieser Aufgabe, wobei die eine Seite, in der er den Hauptanteil seiner Arbeit durchführte, nichts von seinem Doppelspiel erfahren durfte. Ein Gefühl, das ihn antrieb weiterzumachen. Das ihn alle Warnungen in den Wind schlagen ließ. Er wusste selbst, wie gefährlich es war, wieder hier herunter zu fahren. Und doch konnte er es nicht lassen. Der Reiz hatte ihn in doppelter Hinsicht gepackt. Er wollte Schnur beweisen, dass er seine Arbeit als Kriminalkommissar beherrschte. Außerdem wollte er sich selbst beweisen, dass er in all den Jahren nicht der zögerliche Mensch geblieben war, sondern sich zu einem echten Mann der Tat entwickelt hatte. Mit diesen Gedanken stieg er aus der Kulibahn und ging in Richtung Streb, aus dem der Lärm der Maschinen drang.
    Doch kaum hatte er den Stoß erreicht, schlug ihm eine Stimmung entgegen, die seine gerade erst gewonnene Motivation in Frage stellte. Niemand grüßte die drei Neuankömmlinge. Auch Bonhoff konzentrierte sich auf die Steuerung der Schrämmaschine, als müsste er sich daran festhalten.
    »Hey Tony«, rief Hans Rach. »Du hast aufm Pütt hoffentlich nicht verlernt, was uns verbindet?«
    »Kameraden lässt man nicht im Stich«, sprach Grewe den Satz zu Ende.
    »Und warum hast du dich Schorschs Anweisung widersetzt?«
    Grewe starrte den Grubensteiger wortlos an. Diese Frage stellte er sich selbst schon oft genug. Eine Antwort hatte er noch nicht gefunden.
    »Du wirst jetzt als Schildfahrer die Arbeit von Pitt übernehmen«, wies Rach den verdutzten Kameraden an.
    »Wo ist Schorsch?«, fragte Grewe.
    »Keine Sorge! Der macht seine Arbeit!«, wich Rach aus.
    Grewe kannte den Arbeitsablauf eines Schildfahrers. Schon damals hatte er in dieser Funktion gearbeitet, was ihm diesen Auftrag erleichterte. Er drehte sich um und sah, wie Rach zusammen mit Kevin und Bruno in Richtung Kopfstrecke verschwand.
    »Na, du Leichenspürhund«, rief ihm Paolo Tremante entgegen.
    Als Grewe in sein Gesicht schaute, um dort dessen Regung einzuschätzen, sah er jedoch nur gute Laune.
    »Kann es sein, dass du einen übersehen hast?«, fragte der Italiener weiter. »Fechter war zusammen mit Winni Bo verschwunden.«
    Grewe staunte. Die Kameraden wussten bereits, wer der Tote war. Nur woher? Er raffte sich einfach auf und fragte ihn genau das.
    Der Italiener grinste breit und meinte: »Unserem Steiger entgeht nichts.«
    »Du meinst, er hat den Toten sofort erkannt?«
    Tremante nickte nur und widmete sich wieder seiner Arbeit. Grewe versuchte, sein Erstaunen zu verbergen. Trotzdem tauchte ständig der Anblick der mumifizierten Leiche vor seinen Augen auf. In diesem Zustand jemanden zu erkennen, grenzte wirklich schon an Wunder. Er wandte sich den Hydraulik-Schilden zu und begann mit einer Routine die Maschinen zu bedienen, als hätte es die Pause von zwanzig Jahren niemals gegeben.
    Ein Signal ertönte. Alle Maschinen verstummten. Erschrocken schaute Grewe hoch.
    »Die Förderung steht«, hörte man durch den Strebfunk. »Wird wohl länger dauern.«.
    Grewe sah, wie einige Männer den Streb verließen. Allen voran Hans Rach. Grewe schaute ihnen nach und sah sie in Richtung Bandberg II verschwinden. Er zögerte eine Weile, bis er sich dazu entschloss, ihnen zu folgen.
    Doch als er aufstehen wollte, spürte er eine Hand an seinem Arm.

    »Diesen Tim Fechter zu finden, war wirklich nicht schwer«, sagte Anke mit einem Lachen. »So einfach könnte es immer sein.«
    »Wo hast du ihn gefunden?«, fragte Erik.
    »Er wohnt noch da, wo er schon immer gewohnt hat. Nämlich in der Wohnung seines Vaters.«
    »Und was kannst du noch über Tim Fechter sagen?«
    »Er wurde am 3. November 1982 geboren, war also gerade siebzehn Jahre alt, als sein Vater verschwand.«
    »Ist das interessant für uns?«
    »Könnte sein.« Anke zuckte mit den Schultern. »Sein Vater hatte damals nach seiner Scheidung von Tims Mutter das alleinige Sorgerecht erhalten. Also musste Tim nach seinem Verschwinden zu seiner leiblichen Mutter zurück, weil er damals noch nicht volljährig war.«
    »War wohl kein Vergnügen.«
    »Aber er bekam eine Halbwaisenrente zugesprochen, denn sein Vater wurde unmittelbar nach dem Unglück für tot erklärt«, las Anke weiter vor. »Die Wohnung des Vaters ist nicht gekündigt worden. Vom Geld der Halbwaisenrente wurde für den Sohn die Wohnung weitergemietet.«
    »Wer hat diese Wohnung weitergemietet? Tim konnte noch

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