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Blutige Seilfahrt im Warndt

Blutige Seilfahrt im Warndt

Titel: Blutige Seilfahrt im Warndt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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falsch gemacht, dass sein Sohn ein derart verlogenes Spiel mit diesen ehrlichen Männern trieb?
    Er sah Remmark, Tremante und Rach eifrig diskutieren. Während sie redeten, fielen ihre Blicke immer wieder auf sein Haus. Helmer schluckte. Schauten sie ihn wirklich an oder bildete er sich das nur ein?
    Nein, sie schauten wirklich zu ihm. Und nicht nur das. Plötzlich steuerten sie sein Haus an.
    Helmers Herz schlug ihm bis zum Hals.
    Sie hatten schon die Haustür erreicht. Im gleichen Augenblick klingelte es an seiner Wohnungstür. Er öffnete die Wohnungstür und trat auf den Flur.
    Ein kräftiges »Glückauf« riefen sie. Helmer erwiderte den Gruß.
    Dann stellte Remmark die Frage, die Helmer befürchtet hatte: »Ist Tony zuhause?«
    »Nein!«, antwortete Helmer und spürte, wie ihm schlecht wurde. Jetzt würde wohl der Zeitpunkt kommen, für seinen Sohn und sein falsches Spiel zu lügen. Hoffentlich würde er das durchstehen. Seine Knie fühlten sich plötzlich butterweich an.
    »Wir müssen etwas mit ihm besprechen. Wo steckt er?«

    Anton Grewe stand vor dem unpersönlichen Gebäudekomplex, in dem sich Michael Bonhoffs Wohnung befand. Der Wind pfiff ihm kalt um die Ohren. Die wenigen Sonnenstrahlen, die sich durch die Wolkenschicht hindurchkämpften, konnten ihn nicht wärmen. Er zögerte nun bestimmt schon fünf Minuten. Der Klingelknopf mit Bonhoffs Namen starrte ihn fordernd an. Wenn er noch länger wartete, war er erfroren. Und erreichen würde er damit auch nichts.
    Also nahm er allen Mut zusammen und drückte auf den Knopf.
    Sein Herz sprang ihm aus der Brust vor Aufregung. Doch nichts tat sich.
    Das durfte jetzt nicht wahr sein. Endlich gelang es ihm, sich aufzuraffen und seinen Kollegen und Freund zu Hause aufzusuchen, wo sie ungestört miteinander reden könnten, da öffnete ihm niemand die Tür. Bonhoffs Verhalten am Vortag in der Mittagspause hatte Grewe mehr zugesetzt, als er sich eingestehen wollte. Und heute hatte sich keine Gelegenheit ergeben, mal ein Wort mit ihm zu wechseln, bis Grewe ihn völlig aus den Augen verloren hatte. Zu gerne würde er Bonhoff vertrauen. Aber ohne dieses Gespräch, weshalb er nun hier vor der Tür seines Freundes stand, würde ihm das nicht gelingen. Wieder klingelte er. Wieder tat sich nichts.
    Frustriert kehrte er zu seinem Auto zurück, stellte die Heizung hoch, damit er sich aufwärmen konnte und fuhr langsam los. Die Heuduckstraße zog sich unendlich lange hin, bis er an einer roten Ampel stehenbleiben musste. Er fühlte sich planlos, wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Sein Vorsatz, Klarheit in sein Leben zu bringen, war gescheitert.
    Die Ampel sprang um. Im gleichen Augenblick läutete sein Handy. Er schaute auf das Display und las den Namen seines Vorgesetzten. Den wollte er jetzt nicht sprechen. In seiner desolaten Verfassung würde Schnur ihn sofort von dem Fall abziehen. Und das war das Allerletzte, was er jetzt gebrauchen konnte. Er fuhr durch die stark befahrene Landeshauptstadt, beobachtete die Menschen, die gehetzt die Bushaltestellen und die S-Bahn-Stationen ansteuerten. Aber nichts und niemand konnte ihn aus seinem Tief herausholen.
    In das Haus seines Vaters wollte er auch nicht zurück. Die stummen Anklagen, die er ständig in den Blicken seiner Eltern sah, machten ihm das Leben unter diesem Dach unerträglich.
    Also fuhr er weiter und weiter, bis es dunkel wurde und die ersten Lichter der Stadt eingeschaltet wurden. Grewe beschloss, einige Runden über die Landstraßen zu drehen. Don’t you forget about me von den Simple Minds passte genau zu seiner Stimmung. Er drehte laut auf und ließ den Wagen durch die beginnende Nacht rollen. Mit jedem Kilometer, den er sich von Saarbrücken und Velsen entfernte, verblassten seine Gedanken mehr, bis er sich nur noch dem Takt der Musik hingab und mitsang.

    Anke roch den duftenden Kaffee aus Schnurs Büro. Das bedeutete, dass diese Besprechung länger dauern würde. Frustriert ließ sie die Schultern hängen und dachte an ihre Tochter. Sie wusste Lisa bei Martha Kullmann in guten Händen. Aber die Kleine fehlte ihr. Sechs Wochen hatten sie in der Mutter-Kind-Kur zusammen verbracht. Tag und Nacht. Keine Arbeit, keine Leichen, keine Trennungen von Lisa, nichts. Nur sie und Lisa und ihre vielen gemeinsamen Anwendungen und Unternehmungen. Sie hätte es noch ewig in die Länge ziehen können. Auch wäre es Anke nicht schwergefallen, noch eine Woche Urlaub anzuhängen und die Arbeit mal Arbeit sein zu lassen. Doch

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