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Blutige Spuren

Blutige Spuren

Titel: Blutige Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Liemann
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wir das jetzt? Das hier ist ein junger Mann, den wir im Grunewald gefunden haben. Mehrere Messerstiche, ziemlich stümperhafte Arbeit. «
    » Wolfgang! Wir – reden – jetzt – über – uns – beide! «
    Lichtenberg klemmte die Zigarette in den Ascher und lehnte sich ruckartig zurück – in Sternenbergs Erinnerung eine der leidenschaftlichsten Gesten, zu denen der Mann fähig war. Sie verhieß nichts Gutes.
    » Kai – in drei Jahren werde ich pensioniert. Wie lange arbeite ich für dich? Sieben, acht, neun Jahre. Ich war vor dir hier, und zwar dreizehn Jahre. Seit der Zeit mache ich diesen Kram hier. In der ganzen Zeit bin ich in der Endstufe des gehobenen Dienstes, ohne Aufstiegsmöglichkeit, nur alle vier Jahre fünfzig Euro mehr. In der ganzen Zeit hat sich die Aufgabe nicht verändert, es ist nicht besser oder schlechter geworden, nicht weniger und nicht wesentlich mehr. Ich habe meine Kunden gejagt, und wenn ich Glück hatte, bekam ich auch einen ordentlichen Staatsanwalt und einen vernünftigen Richter, um sie hinter Schloss und Riegel zu bringen. Und die Verbrechen gingen weiter. Es ist ein ewiger Kreis, und der war ja auch jahrzehntelang ganz okay. Aber ich habe einfach keine Lust mehr, die Kärrnerarbeit zu machen, den immer gleichen Trott. Ich habe vielleicht noch drei Jahre im Dienst, wenn meine Innereien mitmachen – und meine Anita. Bevor ich mich nur noch um meine scheißenden Enkel kümmere, will ich wenigstens etwas anderes machen. Findest du das wirklich unakzeptabel? «
    Sternenberg atmete am Fenster. Ich stehe hier wie in der Telefonseelsorge, dachte er kurz irritiert.
    » Ich hatte keine Ahnung, dass du unzufrieden bist, Wolf. Ich hab’ immer angenommen, dass du in deinem Element bist, wenn du bei uns arbeitest. Du hast nie etwas gesagt. Und ich habe dich wahrscheinlich nie gefragt. «
    » Doch. Meist fand ich es in Ordnung, wie es war. Hab’ wahrscheinlich mit sechzig meine Midlifecrisis bekommen. Was auch immer. «
    » Und Büroleitung – das ist was für dich? «
    Lichtenberg zuckte mit den Schultern. » Beatrix hat es mir schmackhaft gemacht. Unbürokratische Koordination, Erfahrungen einbringen, eigenen Stempel aufdrücken – alle diese Floskeln aus dem Supermarkt der Motivationsartisten. Und ich bilde mir ein, dass ich in dem Laden tatsächlich ein paar Dinge anders machen und sie bessern kann. «
    » Ja « , sagte Sternenberg, » zum Beispiel deinen Kaffee. Der ist lausig, wollte ich dir auch schon immer mal sagen. Dafür hast du dann ja wahrscheinlich ein Sekretariat. «
    » Das werde ich als Erstes abschaffen. «
    » Na, dann nimmst du Dodo mit. «
    » Gott bewahre, wenn die Tunte täglich um mich herumtanzt, lasse ich mich frühpensionieren. Der reicht mir hier schon. «
    » Wolfgang, ich glaube, du bist die Idealbesetzung eines Büroleiters: Vorurteile gegen Schwule und gegen Frauen, unfähig zu delegieren, völlig desinteressiert an jeder Art von Fortbildung und allergisch gegen Computer und intime Gespräche.«
    » Du vergisst meine Ignoranz hinsichtlich moderner Büroorganisation. Tja, du siehst, ich erfülle alle Anforderungen dieser Stelle. «
    Sie lachten.
    Lichtenberg deutete auf das Foto: »Einverstanden, wenn wir jetzt …? «
    » Okay. Wer ist der Mann? Dein Nachfolger? «
    Was sich über den Toten im Grunewald vor der Obduktion sagen ließ, war nicht viel: Er hieß Adam Gusewski, geboren in Berlin, dreiunddreißig Jahre alt. In den letzten Jahren war er arbeitslos und regelmäßig auf staatliche Unterstützung angewiesen. Dementsprechend einfach war er gekleidet. Nach der Schule soll er sich mit Hilfsjobs durchgeschlagen haben. Er lag noch unverwest im Jagen 68 des Grunewalds, nahe einer Gabelung am Fischerhüttenweg.
    Ein junges Paar war auf dem Spaziergang von der Krummen Lanke zum Havelberg gewesen, hatte die AVUS unterquert und auf der anderen Seite die Leiche gefunden, die etwa fünfzehn Meter abseits des Weges unverscharrt im Unterholz lag. Weshalb das Paar Gusewski entdeckt hatte, darüber gab es widersprüchliche Auskünfte. Eine Beamtin hatte ins Protokoll aufgenommen, die junge Frau habe » austreten « wollen. Jedenfalls hatten die beiden – getrennt – angegeben, Gusewski nicht schon vom Weg aus gesehen zu haben.
    Nach der ersten Sichtung der Leiche konnten mindestens fünf Messerstiche festgestellt werden. Dazu kamen mehrere Schnittwunden an den Vorderseiten der Arme, der Beine und des Gesichts, was auf einen Frontalangriff schließen ließ. Von

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