Blutige Spuren
Bruch – Die Schottische « .
» Wie geht’s deinen Töchtern? « Korbmann stand im Türrahmen.
» Ganz gut, glaub’ ich. « Und um der Nachfrage zuvorzukommen, setzte er hinzu: » Demnächst fahre ich nach Hamburg. Weihnachten werden wir bei mir feiern. Wäre das erste Mal seit der Scheidung. «
» Du siehst müde aus. «
» So sehe ich immer aus, Rolf. Mir geht’s blendend. «
Korbmann stellte einfache Wassergläser auf den Tisch. Sie waren für den Wein. » Hat sich mit diesem Mädchen was ergeben? « , fragte er Sternenberg und zündete mehrere Kerzen an.
» Welches Mädchen? «
Korbmann warf ihm einen scheelen Blick zu, sagte aber nichts.
» Wir sind seit einem halben Jahr … zusammen. Hm, klingt komisch. Wir frühstücken miteinander, wir trinken Wein, wir schlafen miteinander. Alles andere, was eine Beziehung ausmacht, findet nicht statt. Sie ist unterwegs, und ich auch. Wenn sie da ist, ist sie da. So was hatte ich noch nicht. «
» Es scheint dich aber auch nicht zu stören. «
» Du hast recht. Ab und zu frage ich mich, ob das seine Richtigkeit hat. «
Korbmann grinste: » Hör auf, spiel nicht den Zweifler. Du weißt genau, dass es okay ist, wenn ihr beide euch gut fühlt. «
» Das ist witzig « , versuchte Sternenberg seinen Freund auf ein anderes Thema zu lenken und zeigte jetzt auf den CD -Player. » Das klingt jetzt wirklich irgendwie schottisch, oder? Ich meine, diese Stelle, jetzt wieder … Obwohl gar keine schottischen Instrumente dabei sind. «
» Bruch wird unterschätzt. «
» Was macht denn dein Ausflug in die Filmmusik? «
Rolf Korbmann winkte ab: » Das Leben ist kurz. Ich probiere alle möglichen neuen Richtungen aus. Doch wenn ich danach einen Händel oder einen Bach auflege, habe ich das Gefühl, dass hundert Soundtracks nicht so gut sein können wie eine Seite der Klassiker. Ich bin zu ungeduldig. Vielleicht ist es so … « Er schenkte den Wein ein. » Vielleicht werden so wenige Entdeckungen gemacht, weil Leute wie ich immer wieder glauben, dass sie im Alten, Bewährten mehr Glück finden als im Unbekannten, Neuen. Klingt schrecklich, ich weiß … «
» Na ja, wir werden nicht jünger. «
Korbmann vollführte eine unklare Handbewegung und ging aus dem Zimmer.
Sternenberg blickte in die Kerzen und hörte das hallende Hüpfen der Streicher, und jetzt drang der Geruch von Rosmarin in seine Nase.
Kurz darauf kam Korbmann zurück, die erste Auflaufform zwischen den mit Küchenhandtüchern geschützten Händen, und stellte sie vor Sternenberg auf den Tisch. » Pass auf, es ist noch sehr heiß. «
Die Sauce bedeckte den Rosenkohl etwa zur Hälfte. Korbmann brachte die zweite Form und postierte einen Brotkorb zwischen die Weinflaschen. Ohne ein Wort begann er, Weißbrot zu brechen und es in die Sauce zu tunken, die in seiner Form noch ein wenig blubberte.
Sternenberg nahm einen Schluck Wein. » Bist du zufrieden, abgesehen von der Musik? «
» Ich glaube, ich höre auf mit den Notdiensten « , antwortete Korbmann. » Diese Einsätze, weißt du, vor allem im Ausland … Ich glaube, ich mache das nicht mehr. «
» Wird es dir zu anstrengend? «
» Nicht die Arbeit selbst. Wenn es eine Katastrophe gibt, macht man so seine Routine, man muss ja irgendwie heil da durchkommen, es verkraften. Wem sage ich das? Ab und zu kann ich jemanden wiederbeleben oder desinfizieren oder größeren Schaden abwenden durch eine Amputation oder so was. Das ist gut. Es ist meine Aufgabe, und es ist mein Leben, ich hatte damit nie Probleme. «
» Aber? «
» Es sind immer diese Hilfsorganisationen, für die ich das mache. Ich werde allergisch gegen die Art, wie die mit ihren Aufträgen und den Mitteln umgehen. «
» Was meinst du? «
» Mir geht’s nicht um das Hinterziehen von Geld. Es sind einfach diese Typen, diese Sprüche, dieses Gebaren … Weißt du, anstatt eine ordentliche Verwaltung einzusetzen und klar zu sagen, dass gute Organisation einfach Geld kostet, kommt immer nur dieses Gerede, dass jeder Cent bei den Opfern ankommt. Gar nichts kommt bei den Opfern an, wenn man keine Organisation hat! Sie schmeißen Geld zum Fenster hinaus, genau das Geld, von dem sie gegenüber den Leuten versichern, dass alles den Opfern zugutekommt. Es ist irre! «
» Klingt krass. «
» Und dann die Leute, die nachgewiesen haben wollen, dass man für ihre edle Spende auch wirklich ein weinendes Kind gerettet hat! Sie wollen große traurige Kinderaugen, und sie wollen das Gefühl, für ihre
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