Blutige Spuren
Wirtschaftsnobelpreises an sich, über die Steuerreformen, über die Kanzlerkandidatenfrage, über Wein, Rosenkohl, Kindheit und … Carl Blechen. Irgendwie war Sternenberg bei ihm gelandet.
Rolf Korbmann fasste sich bei dessen Erwähnung an die Stirn und wirkte angestrengt. » Der Name sagt mir irgendwas. « Er nestelte an der dritten Flasche Nemea, öffnete sie jedoch nicht. » Ach, klar … « Er schritt in Richtung Fenster und deutete auf einen kleinen Druck an der Wand. » … habe ich vor Jahren geschenkt bekommen. «
Sternenberg gesellte sich dazu und las die Unterzeile des Bildes vor: » Carl Blechen: Waldweg bei Spandau. Das ist ja ein Ding! «
» Tja, wegen Spandau habe ich das Bild bekommen. «
» Nein, ich meine den Waldweg! Unser Fan von Blechen ist immerhin im Wald erstochen worden … «
Sie schwiegen.
Das Bild zeigte einen Waldausschnitt. In der oberen Hälfte war das Grün dicht. In der unteren Hälfte war es etwas lichter, zwischen einigen Stämmen konnte man hindurchsehen. Im Zentrum öffnete sich der Wald zu einer fernen Kirche hin. Auf dem Waldweg vor dieser Öffnung stand eine Frau, die sich von den Strapazen auf dem schlammigen Untergrund ausruhte, ihr Bündel auf einem Geländer abgestellt hatte – und den Betrachter unverwandt anzuschauen schien.
» Das ist gar nicht die Nikolaikirche von Spandau « , wunderte sich Korbmann. » Eines der Rätsel dieses Gemäldes. Merkwürdig ist auch, dass die Frau direkt in die … ja, in die Kamera schaut. Für die damalige Landschaftsmalerei nicht üblich. Ich habe mich immer gefragt, was diese Frau macht. Geht sie nach Spandau? In welche Richtung? Will sie in den Wald, oder kommt sie aus dem Wald? Und dann diese Baumstämme links und rechts, die sind doch wuchtig und stabil, fast wie Säulen einer Kathedrale. Früher habe ich oft hier gesessen und mir Geschichten zu dem Bild ausgedacht – in letzter Zeit dagegen nicht mehr. Hm, und jetzt kommst du mit deinen Morden im Wald. «
Sternenbergs Handy klingelte.
» Ja? «
» Isabel hier! Kann ich dich sehen? «
» Wieso? Was ist passiert? «
» Es gibt Neuigkeiten. Aber nicht am Telefon. «
» Ich bin bei einem Freund in Staaken « , sagte Sternenberg.
Rolf Korbmann machte eine große Geste, so etwa wie » Lasset die Kindlein zu mir kommen«.
» Ich kann nicht zu dir kommen, Isabel. Ich bin ohne Auto hier. Außerdem ist es ziemlich nett. Komm vorbei, wenn du willst. «
Sie zögerte einen Augenblick. » Wo ist das genau? «
» Isabel, meine Mitarbeiterin « , erklärte er nach dem Telefonat. » Ist es okay, dass sie kurz vorbeikommt? «
» Wenn sie kurz vor Mitternacht extra nach Staaken kommt, um dir etwas zu sagen, will ich nicht im Wege stehen. – Die mag dich, oder? «
» Sie ist durch und durch professionell. «
» Du magst sie. «
Sternenberg ruderte mit den Armen.
Korbmann beschwichtigte. » Schon okay, Kai. Trinkt sie einen Wein mit? «
» Ich glaube, sie trinkt nur weißen. Diesen Verno vino, oder wie der heißt. Aber sie fährt. Keine Chance. «
» Oje. Dann kommt sie nüchtern zu zwei betrunkenen Kerlen. Das muss ihr ja ein innerer Weltfrauentag sein. – Noch ein Schlückchen? «
Isabel legte den Schal und ihre Handschuhe in Korbmanns offene Hände und strich sich rasch die Haare über der Stirn zurecht.
» Riecht gut hier « , bemerkte sie.
» Mögen Sie etwas? Kastanien und Rosenkohl? «
» Hunger habe ich schon « , antwortete sie. » Allerdings … Hallo, Kai! «
» Ich mache Ihnen etwas. Dauert aber einen Moment. Ihr Chef hat alles aufgegessen. «
» Du kannst ihn nicht davon abbringen, jetzt zu kochen « , gab ihr Sternenberg zu verstehen.
Isabel ging mit Korbmann in die Küche. » Ich störe bestimmt eine gute Unterhaltung « , sagte sie, » und jetzt stellen Sie sich für mich auch noch in die Küche. Mmmmm, das ist alecrim – rosmaninho ! «
» Sie mögen Rosmarin? «
» Ich liebe ihn. Weißwein und Rosmarinkartoffeln – mein Lieblingsessen. «
Sternenberg sah den beiden am Herd zu.
Isabel schaute neugierig auf das Tuch mit den Maronen. » Kann ich helfen? Ich koche gern. «
» Rolf lässt man lieber allein machen. Er ist sein eigener Chefkoch. «
» Sie können den Rosenkohl putzen, Isabel. «
» Au ja, das mach ich gern. Wo hast du die Messer? «
» Die hängen da neben der Spüle. Nimm eines von den schwarzen, die sind schärfer. «
Kai Sternenberg sah in die Küche und beobachtete die beiden eine Weile. Sie sprachen nicht mehr, aber auch in
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