Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutige Vergeltung

Blutige Vergeltung

Titel: Blutige Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
Vom Netzwerk:
atmete ich das Gebräu aus Gerüchen nach Jägerin, Leder und Wer ein, das mich schon wieder an Saul erinnerte. Mein Haar tropfte. Ich hatte mir ein paar Minuten Zeit genommen, um die gelösten Amulette wieder an ihren Platz zu bringen – einige hatte ich mit rotem Band eingeflochten, andere mit Zwirn ganz nah an der Kopfhaut festgebunden. Nun schüttelte ich den Kopf, um das aufmunternde Klimpern zu hören.
    Zweimal klingelte es. „Carper“, schnauzte er in den Hörer, dahinter das Dröhnen von Luft durch geöffnete Autofenster.
    „Ich bin’s, Jill. Zu Befehl.“
    Volle fünf Sekunden lang herrschte Schweigen, während der Lärm von Zugluft leiser wurde. Er kurbelte wohl die Fensterscheibe wieder hoch. „Wir müssen uns treffen. Irgendwo, wo wir unter uns sind.“
    Die Wunder reißen nicht ab. „Aber Carp, ich bin eine verheiratete Frau!“
    „Für Spaße ist keine Zeit, Kismet. Die Sache ist ernst, und ich muss dich sehen. Jetzt.“ Klang er etwa nervös? Das sah ihm gar nicht ähnlich.
    Ich ließ mir alles durch den Kopf gehen. „Geht es um einen Fall?“
    „Den Kutchner-Fall.“
    Mein Herz machte einen Sprung, mein Magen zog sich zusammen, und ich gab einen kurzen Laut von mir, der als Fluch durchgegangen wäre, hätte ich die zweite Hälfte nicht gemeinsam mit meinem gut durchgekauten Happen Toast runtergeschluckt. Also das ist jetzt echt zu viel, Carp. Gott! „Treffpunkt?“
    „Kennst du das Picaro’s an der Fourth?“
    Eine winzige Bar in der Innenstadt. Ich würde meinen Ersatz-Trenchcoat tragen müssen. „Ich kann in einer halben Stunde da sein. Willst du mir vielleicht irgendeinen Hinweis geben?“
    „Nicht am Telefon. Versuch, möglichst nicht aufzufallen.“
    Ich bin eine Jägerin, Carp. Wenn ich wollte, könnte ich direkt neben dir stehen, ohne dass du auch nur etwas davon ahnst. „Ich bringe einen Freund mit.“
    „Komm allein.“
    Weißt du, das würde ich ja, wenn die Leute es nicht darauf abgesehen hätten, mich mit Maschinengewehrgeballere zu zerteilen oder die Scurf auf mich zu hetzen. Die Erinnerung bescherte mir ein kühles Schaudern auf der Haut, die Narbe war ein harter, schweigender Knoten. „Geht nicht. Aber keine Sorge, es ist jemand von meiner Truppe.“
    „Na schön.“ Schlecht gelaunt wie immer legte er auf, aber vorher hörte ich noch, wie ein Feuerzeug klickte und er scharf inhalierte.
    Hoffentlich fährt, raucht und balanciert er sein Handy nicht gleichzeitig. Ich stellte das Telefon zurück in die Ladestation. „Was zum Teufel ist hier nur los?“
    Die leere Luft meines Schlafzimmers gab mir keine Antwort. Ich hörte, wie Theron summend den Abwasch machte, er klapperte, klirrte und klang so sehr nach Saul, dass mir aufs Neue Tränen in die Augen stiegen.
    Himmel. Wie konnte man jemanden nur so sehr vermissen?
    Ich berührte das schmutzige Lederarmband. Er hatte mir drei dagelassen, jedes eine Spezialanfertigung mit Schnappverschluss, die wie eine zweite Haut um mein Handgelenk passte. Das hier war das letzte. Ob er damit gerechnet hatte, früher wieder heimzukommen?
    Zwei Werwesen waren tot. Jemand hatte mich oder sie töten wollen. Ein riesiger Haufen alter, ansteckender Scurf- undeine Höllenbrut. Was in etwa so war, wie eine Schlange im Bienenstock zu finden – etwas, worauf man absolut nicht gefasst ist.
    Was hatte es nur zu bedeuten?
    Keine Ahnung. Aber ich werde es verflucht noch mal rausfinden!
    Um ins Picaro’s zu kommen, muss man eine Treppe zwei Stockwerke in die Tiefe steigen, nachdem man durch eine unauffällige Seitentür eines Wolkenkratzers gegangen war, den man in einen Berg hineingebaut hatte. Der Hauptraum der Bar war gleichzeitig eine Art Restaurant, ein schummriges kleines Loch mit abgewetztem Teppich, klebrigen roten Plastiktischen und -Sitzecken und überall hingen Buntglas-Lampen.
    Wirklich berühmt ist das Picaro’s für sein Zweidollardrink-Special und ein riesiges, billiges Frühstück, mit dem man seinen Kater bekämpfen kann. Mit den Kochkünsten eines Wers können sie sich hier nicht messen, aber man nimmt, was man kriegt.
    Ich dachte sogar ernsthaft über ein zweites Frühstück nach, als ich mich Carper gegenüber auf eine Bank setzte. Mein Ersatzmantel knarzte, als er Falten schlug. Unter den blauen Augen des Detectives lagen tiefe, dunkle Ringe. Er hatte seine Tweedjacke ausgezogen. Eine echte Tweedjacke, Herrgott noch mal! Er sah aus wie ein Englisch-Professor in Zivil, abgesehen vom Waffengurt und dem leeren, ausdruckslosen

Weitere Kostenlose Bücher