Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)
Treiben dieser Menschen sie ja deshalb so fertiggemacht.«
Ich erinnerte mich an das kleine Kreuz, das ihre Mutter trug, konnte mir aber nicht vorstellen, dass Sophie infolge eines religiösen Wahns zur Serienmörderin geworden war.
»Sie hat noch etwas gesagt«, riss mich Burns aus meinen Überlegungen. »Sie wollte auch Nicole ans Leder gehen, weil offenbar auch sie einmal mit Max geschlafen hat.«
Ich brauchte einen Augenblick, um zu verstehen. Gut vorstellbar, dass Nicole sich als nächsten Ehemann einen schwerreichen Banker angeln wollte, auch wenn sie beide noch verheiratet gewesen waren. Weshalb – Ironie des Schicksals – ihr betrogener Ehemann ihr Lebensretter war. Hätte Liam Nicole nicht aus dem Verkehr gezogen, hätte Sophie ihr bestimmt nicht einfach das Gesicht zerfetzt, sondern ihr am Ende noch die Kehle aufgeschlitzt.
Burns hatte schon seit Wochen nicht mehr so fröhlich ausgesehen. Auch sein altes Selbstvertrauen hatte er wiedergewonnen. Hätte Taylor sich in diesem Augenblick in sein Büro gewagt, hätte er ihn wahrscheinlich zum Fenster hinauskatapultiert.
»In einer Minute fahre ich Sie nach Hause.«
Die Minute dehnte sich zu einer Stunde aus, und während ich versuchte, es mir auf dem Plastikstuhl bequem zu machen, fiel mein Blick auf den Terminkalender auf seinem Schreibtisch. Ich versuchte, mich zurückzuhalten, aber die Versuchung war einfach zu groß. Und tatsächlich war der Inhalt des Kalenders faszinierend. Männer aus den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft hatten Poppy aufgesucht: der Moderator einer Fernsehrateshow, mein Lieblingskomiker, ein Weltklasse-Tennisspieler und natürlich Andrew Piernan, dessen Name auf der zweiten Seite stand.
Mir wurde bewusst, dass Burns mich schützen wollte, indem er mir das Büchlein vorenthalten hatte, obwohl völlig klar gewesen war, dass es eine Verbindung zwischen meinem Freund und Poppy gab. Trotzdem tat es weh, als ich seinen Namen in Poppys geschwungener Schrift dort stehen sah. Bis vor ein paar Monaten hatte Andrew wöchentlich einen festen Termin bei ihr gehabt.
Ich starrte aus dem Fenster und versuchte, ihn nicht zu verurteilen. Er hatte so viel Zeit und Energie in seine Arbeit investiert, dass einfach kein Raum für ein Privatleben geblieben war. Vielleicht hätte ich an seiner Stelle deshalb auch einfach für Sex bezahlt. Ich wusste, was für ein Gefühl es war, bis zum Umfallen zu arbeiten und dann abends allein ins Bett zu gehen.
Draußen wurde es allmählich hell, und ein Blick auf meine Uhr verriet, dass es fast sieben war. Der Rest der Stadt saß jetzt beim Frühstück, stand unter der Dusche oder machte sich auf andere Weise für den nächsten Arbeitstag bereit. Ich wollte gerade gehen, als endlich auch Burns wieder in seinem Büro erschien. Trotz meiner Erschöpfung war ich fest entschlossen, ohne Hilfe bis zu meinem Wagen zu laufen, aber als ich mich von meinem Platz erhob, kam mir der Boden entgegen, und erschrocken streckte Burns die Arme nach mir aus. Er stand direkt vor dem Fenster, und seine breiten Schultern sperrten fast das ganze Licht aus seinem Zimmer aus.
Der Blick, mit dem er mich bedachte, drückte Überraschung, Mitleid, doch vielleicht auch eine Spur Bewunderung für meine starre Haltung aus. Ich fragte mich, ob er vielleicht noch irgendeine schlechte Nachricht für mich hätte, denn ich hatte ihn noch nie so ernst erlebt.
»Kann ich jetzt nach Hause fahren, Don?«
»Gleich.« Immer noch mit ernster Miene zog er mich an seine breite Brust, aber schließlich hatte er bereits im Crossbones-Fall gezeigt, dass er ein hervorragender Tröster war. Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter, und es fühlte sich so an, als hielte ein Riese mich im Arm. Wir blieben reglos stehen, bis das laute Klappern irgendwelcher Absätze auf dem Linoleum im Flur verriet, dass jemand in unsere Richtung lief. Eilig machte ich mich von ihm los, doch er bedachte mich erneut mit einem mitleidigen Blick, und als ich an mir heruntersah, nahm ich den faustgroßen rötlichbraunen Fleck auf dem Ärmel meines T-Shirts wahr. Überall an meiner Kleidung waren Flecken trocknen Bluts, und plötzlich konnte ich Burns’ Blick verstehen. Mit meinem blassen Gesicht, am ganzen Körper zitternd und vor lauter Schock kaum in der Lage mich zu rühren, sah ich wahrscheinlich wie die typische hilflose Blondine aus.
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Auf dem Weg durch das Revier warfen mir die Leute wegen meiner blutbefleckten Kleider und der wirren, ungekämmten Haare
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