Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)
verdrängen, dass es irgendwo eine Verbindung zwischen Poppy und dem Killer gab, auch wenn Burns eindeutig anderer Meinung war. Der Killer könnte einer ihrer Freier sein, der sie nicht länger teilen wollte und die Banker einfach deshalb ins Visier genommen hatte, weil die Stammkunden der Frau, die er für sich alleine haben wollte, Männer wie Gresham und Fairfield waren. Ich schloss meine Augen und versuchte, ihn mir vorzustellen. Er war offenkundig ein detailversessener Mensch, und es hatte ihn wahrscheinlich mit Genugtuung erfüllt, die Polizei mit einer Postkarte an einen Mann, den er bereits vergiftet hatte, aufzuziehen. Ob Max Kingsmith wohl wusste, dass ein weiterer Kollege von der Bank gestorben war? Nicht einmal die dicken Mauern des Gefängnisses hatten Lawrence Fairfield schützen können. Doch im Grunde tat nicht Max, sondern Sophie mir leid – denn wenn ihn die Todesfälle wütend machten, ließ er das sicher an ihr aus.
Als ich das Krankenhaus erreichte, hockte Darren dort auf dem Geländer und blinzelte in die Sonne. Ich blieb neben dem Gebäude stehen und überlegte, was ich machen sollte. Sein Gesichtsausdruck erinnerte mich an die Jungs, die schmachtend vor dem Schultor darauf warteten, zumindest einen kurzen Blick auf das Mädchen zu erhaschen, dem sie hoffnungslos verfallen waren. Obwohl mein Magen sich dabei zusammenzog, rief ich das Notfallteam der Psychiatrie. Sie bemühten sich, möglichst diskret zu sein, aber trotzdem erinnerte mich ihr Auftritt an eine Szene aus Einer flog über das Kuckucksnest . Der Arzt trug seinen weißen Kittel und marschierte an der Spitze eines kleinen Trupps, bestehend aus einer Schwester und drei muskulösen Pflegern, durch die Tür. Darren setzte sich so gut es ging zur Wehr, und am liebsten hätte ich weggesehen, als sie seine Handgelenke packten und ihn ins Gebäude schleppten, denn ich wusste, erst mal würde er in einem leeren Zimmer eingesperrt, in dem es keine Ablenkung vom Eingesperrt-Sein gab. Wenn er morgen früh kooperativer wäre, würde er mit Medikamenten vollgestopft, bis eine Stabilisierung seines Zustands zu erkennen war. Ich ballte meine Fäuste so fest, dass ich mir mit den Nägeln in die Handballen schnitt. Natürlich könnte man Darren nur helfen, wenn die Möglichkeit bestand, während eines Aufenthalts in unserer Psychiatrie eine ordentliche Diagnose zu erstellen, aber trotzdem fühlte ich mich schlecht. Denn unweigerlich dachte ich an den Tag zurück, an dem mein Bruder in die Klinik eingewiesen worden war. Ich war im Krankenwagen mitgefahren, aber trotzdem hatte er während der ganzen Fahrt so laut geschrien, dass es mir durch Mark und Bein gegangen war.
Ich trat wieder ins Sonnenlicht und atmete vorsichtig aus.
In der Mittagspause wollte ich nach Darren sehen, aber dann rief eine Ärztin wegen eines jungen Mädchens bei mir an, das sich so extrem mit Rasiermessern und Streichhölzern verletzte, dass ich sofort alle Hebel in Bewegung setzte, damit sie ein Bett bei uns bekam. Auch der restliche Tag war mit Telefongesprächen, Sitzungen und E-Mails angefüllt, dass ich nicht mal Zeit fand, um eine der Kurznachrichten aufzurufen, die Andrew mir geschickt hatte. Währenddessen stöhnte meine Klimaanlage so abgrundtief, als läge sie im Todeskampf.
Um sechs holte mich eine junge Polizistin vor der Klinik ab und brachte die nächste halbe Stunde damit zu, mir ausführlich zu beschreiben, wie ihr Freund versuchte, sich als Gutachter vereidigen zu lassen, was anscheinend alles andere als einfach war. Bis wir Notting Hill erreichten, waren wir die besten Freundinnen, obwohl der dumpfe Kopfschmerz, den ich zwischenzeitlich verspürte, ein recht hoher Preis für diese Freundschaft war.
Burns lehnte am Zaun vor Kingsmith’ Haus. Ich war mir nicht sicher, weshalb er mich hergebeten hatte. Vielleicht sehnte er sich einfach nach Gesellschaft, weil der Krieg mit seinem Stellvertreter eindeutig noch immer nicht beendet war.
»Wie geht es Mr Morgan?«, fragte ich.
»Er sagt immer noch kein Wort. Offenbar hatten Sie recht. Er hat für jeden Überfall ein Alibi, außer für den auf seine Frau.« Er lenkte seinen Blick auf Kingsmith’ Haus. »Ich dachte, Sie wollten den Palast des großen Mannes vielleicht gern mal sehen.«
Burns wirkte erstaunt, als ich erzählte, dass ich schon mal dort gewesen war. »Er muss ein wirklich dickes Fell haben, wenn er nach allem, was passiert ist, eine Party schmeißt.«
Die beiden Anzugträger vor der Haustür
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