Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)
sahen wie zwei Auftragskiller aus. Burns schnalzte ungeduldig mit der Zunge, während einer von den beiden etwas in sein Walkie-Talkie knurrte, doch am Ende wurde uns geöffnet, und ich sah Louise, deren graues Haar zu einem wirren Pferdeschwanz gebunden war. Das goldene Kruzifix, das mir auf Kingsmith’ Party aufgefallen war, war unter dem Kragen ihrer Bluse kaum zu sehen. Als sie mich erblickte, hellte ihr Gesicht sich merklich auf.
»Alice, wie schön, Sie wiederzusehen. Danke, dass Sie beide gekommen sind.«
»Ist alles in Ordnung, Mrs Emerson?«, erkundigte sich Burns. »Man hat mir nur gesagt, dass Sie mich sprechen wollen.«
Sie führte uns in einen Raum, in dem ich auf der Party nicht gewesen war. Automatisch fühlte man sich in die fünfziger Jahre zurückversetzt. Ein bequemer Sessel stand in einer Ecke neben einem Korb voll Stricknadeln und bunten Garns. Von einem Fernseher oder Computer war nirgendwo etwas zu sehen.
Louise winkte in Richtung eines schmalen, altmodischen Sofas, und wir nahmen darauf Platz.
»Ein wirklich hübscher, ruhiger Raum«, bemerkte Burns.
»Wenn ein Baby im Haus ist, braucht man so einen Zufluchtsort. Den ganzen Krimskrams hab ich aus meinem Haus in Cornwall mitgebracht.« Sie rutschte nervös auf ihrem Stuhl herum. »Die Sache ist die, Inspektor, ich muss einfach mit Ihnen reden. Denn ich bin in höchstem Maß besorgt.«
»Um Ihren Schwiegersohn?«
»Meine Güte, nein. Max kann auf sich aufpassen.« Ihre Miene wurde hart, und wieder konnte ich ihr deutlich ansehen, dass ihr Kingsmith unsympathisch war. »Ihn bringt niemals irgendetwas aus dem Gleichgewicht.«
»Sie verstehen sich anscheinend nicht besonders gut mit ihm«, stellte Burns mit ruhiger Stimme fest.
Sie wurde rot. »Er behandelt meine Tochter wie eine Leibeigene. Seit Molly auf der Welt ist, existiert sie gar nicht mehr für ihn. Sophie ist diejenige, um die ich mir Sorgen mache. Sie kümmert sich die ganze Zeit um andere, aber trotzdem hat sie fürchterliche Angst. Ich höre beinahe jede Nacht, wie sie durchs Haus wandert.«
»Wo ist Ihre Tochter jetzt?«, erkundigte sich Burns.
»Ich habe sie gezwungen, mit der Kleinen in den Park zu gehen – weil ein Spaziergang sie immer entspannt. Ich habe versucht, sie dazu zu überreden, mehr mit ihren Freundinnen zu unternehmen, weil Max sie so oft alleine lässt, aber sie geht kaum jemals aus dem Haus. Ab und zu zum Sport, aber das ist es dann auch schon.«
Burns versuchte, es sich auf der harten Couch bequem zu machen. »Gibt es irgendwas, was Ihnen besondere Sorgen macht?«
»Heute kam ein Brief für sie.« Louise blickte vor sich auf den Boden. »Ich erledige immer die Rechnungen für meine Tochter. Seit Mollys Geburt nehme ich ihr diese Dinge ab. Heute Morgen aber habe ich versehentlich ein privates Schreiben an sie aufgemacht. Es war so schrecklich, dass ich es versteckt habe, damit sie es nicht sieht.«
Sie zog einen schlichten braunen Umschlag aus einer der Zeitschriften auf ihrem Tisch und schob ihn Burns so eilig hin, als wäre er vergiftet. Der Adressaufkleber stimmte mit dem Aufkleber auf dem Umschlag, den ich bekommen hatte, überein. Burns zog ein Paar Gummihandschuhe aus seiner Tasche, und ich atmete vernehmlich ein.
Der Engel in Grün war mir inzwischen so vertraut, dass ich ihn selbst mit geschlossenen Augen mühelos hätte beschreiben können. Braune Locken rahmten seine zarten Züge, während er mit seinem Bogen vorsichtig über die Saiten seiner Violine strich. Dieses Mal war das Gesicht mit roter Tinte oder Blut verschmiert.
Louises Gesicht verriet, wie angespannt sie war. Doch ich konnte ihre Sorge gut verstehen. Denn an eine solche Krise hatte sie ganz sicher nicht gedacht, als sie ihr friedliches Leben in Cornwall geopfert hatte, um hierherzuziehen.
»Könnte ich die Karte wohl behalten?«, fragte Burns. »Es ist wichtig, dass Ihre Tochter erst mal nirgendwo allein hingeht.«
»Verstehe.« Louise nickte so nachdrücklich, als hätte sie die Absicht, Sophie bis auf weiteres irgendwo einzusperren.
Burns tat sein Bestes, um sie zu beruhigen, aber als wir sie verließen, sah sie immer noch erschrocken aus. Deshalb schrieb ich meine Handynummer auf die Rückseite meiner Visitenkarte und hielt sie ihr hin.
»Ich habe Sophie meine Nummer schon gegeben, aber könnten Sie sie trotzdem bitte noch mal dran erinnern, dass sie mich jederzeit anrufen kann?«
Louise lächelte mich dankbar an, und als wir fuhren, stand sie, von den beiden stummen
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