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BLUTIGER FANG (German Edition)

BLUTIGER FANG (German Edition)

Titel: BLUTIGER FANG (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Pflock
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Arm verursachte.
    Sein Hormonhaushalt arbeitete auf Hochtouren und überströmte ihn mit Substanzen, die die Schmerzen etwas hemmten, andererseits aber seine Empfindungen völlig durcheinander brachten.
    Trotzdem kam er schnell zu einem einzigen Gedankenpunkt: Flucht!
    Er musterte die Umgebung und blickte nach links, wo in einiger Entfernung hinter dem Bufett der Ausgang zu den Toiletten lag. Hier gab es womöglich einen Notausgang oder sonst eine Möglichkeit, ins Treppenhaus zu kommen.
    Sein Augenmerk blieb mehr zufällig an der Theke hängen, wo Gläser und Geschirr säuberlich aufgestellt waren.
    Die Eisbecher dort erinnerten ihn an irgendwas.
    Er sah nach dem Bein, betastete es vorsichtig und fühlte im Moment nichts. Als er es bewegen wollte, tat es scheußlich weh, und der Schmerz war sogar stärker als jener, der aus der linken Schulter und dem verdrehten Arm kam. Das andere Bein funktionierte noch ganz gut und war unverletzt. Er hatte also den rechten Arm und das linke Bein zur Verfügung, um die Flucht anzutreten. Die beiden anderen Gliedmaßen konnte er vergessen. Und würde sie wohl auch in Zukunft vergessen können.
    Frank wischte sich mit dem rechten Handrücken Tränen aus den Augen. Er sah sich im Geiste draußen herumlaufen, in etlichen Monaten, und sah sich als Einarmigen. Er spürte schon im Voraus die volle Wucht, mit der ihn die soziale Isolation treffen würde. Außer bei seinen Eltern würde er wahrscheinlich bei allen anderen Leuten unten durch sein. Was wollte man denn mit einem Einarmigen? Mit einem Krüppel, der womöglich nicht einmal mehr richtig gehen, keine Arbeit mehr machen und der Gesellschaft nützlich sein konnte? Mein Gott, er war doch erst zwanzig und hatte sein ganzes Leben noch vor sich! Und erst die Mädchen! Frank malte sich aus, wie sie ihn peinlich berührt nur noch ignorieren würden, weil er nicht mehr ins Konzept der Vollwertigkeit passen würde.
    Der Anblick des Hundes in der Schneise holte ihn aus seinen Fantasien. Er hoffte inständig, dass er sich nicht rührte. Wenn er nur liegen blieb und nicht herkam! Da fiel ihm unvermittelt das Gebrüll ein, das die Gläser zum Klingen und die Theke zum Vibrieren gebracht hatte.
    War das dieser Hund gewesen?
    Oder war es von draußen gekommen?
    Immer mehr verfestigte sich der Eindruck, dass es von draußen gekommen war. Wenn dem aber so war, würde der Verursacher noch irgendwo dort sein und könnte jederzeit zurückkommen!
    Frank blickte zum Ausgang: Das Restaurant stand offen wie ein Scheunentor. Er schluckte, biss sich auf die Lippen und stierte hinaus.
    Seine rechte Hand machte plötzlich in der Hosentasche herum. Er merkte erst jetzt, dass er schon die ganze Zeit nebenher das Handy suchte. Wo war es? Ihm fiel nur ein, dass er es im Gurt stecken gehabt hatte.
    Überhaupt fiel ihm auf, dass er nur in sich sah, was vor dem Angriff geschehen war. Alles danach war weg, unklar, halbklar und wurde höchstens mit der Flüchtigkeit eines Gewitterblitzes sichtbar.
    Unter großen Schmerzen drehte er sich um, wobei er sich so langsam und unendlich behäbig vorkam wie ein Faultier.
    Es war einige Zeit vergangen, bis er sich auf der anderen Körperseite wiederfand. Was wollte er eigentlich? Was machte er?
    Der Anblick des Toilettenausgangs brachte ihm zurück, was er vorhatte: Er wollte doch fliehen!
    Frank biss sich auf die Zähne und schluchzte. Er versuchte, sich noch höher aufzurichten und probierte aufzustehen. Er stützte sich aufs linke Bein und nahm auch den rechten Arm in Beschlag.
    Er kam zur Hälfte hoch, da verließ ihn die Kraft. Sein Körper schwankte, und er fiel rückwärts hinunter. Dabei fiel er so sehr auf den verdrehten Arm, dass ein Schrei Rotz und Wasser löste. Er merkte plötzlich, dass die Hosenbeine ganz nass geworden waren. Offenbar hatte er keine Kontrolle mehr über seine Blase.   
    Die Schmerzen ließen etwas nach.
    Frank fing an, zum Bufett hinüberzurobben, wo er sich mit dem unversehrten Arm hochziehen wollte, um wenigstens irgendwie auf die Beine zu kommen.
    Er hinterließ eine Kriechspur auf dem Boden. Es roch nach Urin und geronnenem Blut. Und irgendwie kam es ihm vor, als hätte er Salz auf der Zunge.
    Unendlich langsam kroch Frank auf das Bufett zu. Er musste es schaffen. Denn er ahnte, dass es hier gefährlich bleiben würde, ahnte, dass in den Weiten der Kaufetagen der Tod durch die Abteilungen schlich.
    Und auch, dass er ihm kein zweites Mal begegnen durfte.
     
    Die Witterung der verlorenen

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