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BLUTIGER FANG (German Edition)

BLUTIGER FANG (German Edition)

Titel: BLUTIGER FANG (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Pflock
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am Montag. Welche Uhrzeit und wo?“ Seine Stimme kam ihm wieder tonlos vor.  
    „Im Stadtpark um zwei Uhr mittags, beim Eingang zum Tierpark.“    
     
    Neben der Trauer um seine Katzen und die Wut auf Vater beschäftigte Joel auf dem   Nachhauseweg die Veränderung seines Verhältnisses zu Bronco. Durch den Vorstoß schien er die Augenhöhe zwischen ihm und sich etwas angeglichen zu haben. Wie er auf dem Rad so durch die Nacht fuhr – es war stark bewölkt, der Vollmond kam nicht durch – wurde ihm mehr und mehr klar: Die Distanz zu Bronco hatte sich etwas verringert. Auf eigentümliche Weise fühlte er sich aufgewertet und mehr angenommen als sonst. Sollte am Ende etwa Freundschaft zwischen ihm und Bronco bestehen, wenn die Sache gut lief?
    Er verwarf den Gedanken als überzogen und voreilig und bog in die Hubertstraße ein, wo das elterliche Haus im spärlichen Licht einer Straßenlaterne lag.
    Freundschaft mit Bronco? Er musste lächeln. Es war absurd, unvorstellbar. Er dachte an die Hundekämpfe, von denen er wusste, und daran, dass Bronco Teil dieser widerwärtigen Szene war. Und er dachte auch daran, dass er aus Angst vor Repressalien nie Anzeige erstattet hatte. Freundschaft also mit einem Tierquäler, der im Grunde nicht viel besser war als sein Vater? Wie lächerlich.   
     
    Joel trat ins Haus.
    Es war alles ruhig.
    Da er im Flur kein Licht machen wollte, ging er im Dunkeln in sein Zimmer und holte eine Taschenlampe aus dem Schrank. Hoffentlich schliefen seine Eltern.
    Dann trat er in den Flur zurück und schlich zu dem Schlüsseldepotschrank, neben dem der Dienstplan seines Vaters hing. Er leuchtete mit der Taschenlampe darauf und konnte leicht ersehen, dass Vater morgen Nachtdienst hatte. Verdammt! Denn das hieß, dass der den ganzen Tag hier sein würde. Joel würde also heute noch eine Nachtschicht fahren müssen, wenn er seinen Plan vorbereiten wollte.  
    Joel dachte nach. Er wusste, dass irgendwo im Wohnzimmer eine Menge Arbeitsunterlagen waren, Handbücher und Bedienungsanleitungen zu den Alarmanlagen im Kaufhaus. Die Wachleute mussten die Geräte ja genau kennen und im Zweifelsfall wissen, wie man sie scharf und unscharf stellte. Daneben vermutete Joel auch Pläne und Begehungsskizzen des Kaufhauses. Vater hatte die Handbücher seines Wissens nie studiert. Was er zu wissen hatte, erfuhr er wohl von den Kollegen. Da Vater die Sachen nie in die Hand nahm, würde er sie auch nicht vermissen, wenn er sie sich auslieh. Und daran führte kein Weg vorbei: Er musste die Handbücher holen – und zwar jetzt. Dann könnte er die ganze Nacht hindurch studieren, morgen Vormittag schlafen und am Abend, wenn Vater endlich ging, die Handbücher weiter einsehen.
    Joel schlich über den Flur zum Wohnzimmer und schaltete unterwegs die Taschenlampe aus.
    Es war gespenstisch ruhig.
    Lautlos öffnete er die Tür.
    Es roch nach ausgelaufenem Bier und nach Schweiß. Vater hing noch immer im Sessel und schnarchte. Joel sah ihn angewidert an. Als er den Bierhumpen erblickte, den Vater zwar wie immer auf den Tisch gestellt, aber nicht benutzt hatte, durchzuckte es ihn. Wie gerne hätte er dieses Gefäß jetzt genommen und ihm auf dem Schädel zertrümmert, sodass die altdeutschen Wappen darauf ebenso auseinander gekracht wären wie dieser gottverdammte hohle Schädel. Doch Joel hatte ein Ziel vor Augen und wollte sich die Mittel hierzu beschaffen. Sein Ziel, dachte er, war viel feiner, böser und hinterlistiger als ein plumper Schlag auf den Kopf, den Vater vermutlich sowieso nicht mehr gespürt hätte. Nein, der Effekt dessen, was er mit ihm vorhatte, würde richtig weh tun. Und zwar nicht nur einmal, sondern öfters und nachhaltiger. Sein Plan hatte die Form einer geistigen Gewalt, die sich nicht wie ein Strohfeuer gebärden würde, sondern wie ein Schwelbrand, ein Lavastrom, den nichts und niemand aufhalten konnte und der sehr, sehr schmerzhaft sein würde.
    Joel lächelte und trat in das Wohnzimmer. Er näherte sich dem spießig-braunen Wandschrank. Vorsichtig und möglichst geräuschlos öffnete er eine Schublade. In kurzen Abständen schaute er zu Vater hinüber, der heute Abend heftig getrunken haben musste. Vaters Kopf lag auf der Rückenlehne und war nach hinten abgeknickt. Hätte er nicht so laut aus dem offenen Maul geschnarcht, hätte man ihn glatt für einen Toten halten können. Mein Gott, wäre das schön: Der Alte … tot!
    In der Schublade, die er geöffnet hatte, lagen nur Fotoalben, nicht

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