BLUTIGER FANG (German Edition)
jedoch das Gesuchte. Er schlug das zuoberst liegende Album auf und sah ein Foto aus glücklicheren Tagen der Familie Kramer. Sofort klappte er das Buch zu und öffnete andere Schubladen und Klapptüren. Doch nicht dort, sondern in einem der Oberschränke wurde er fündig. Vater hatte alles beisammengelegt und nie wieder angerührt. Joel hoffte, dass dies auch so bleiben würde und griff sich den ganzen Stapel.
So lautlos, wie er gekommen war, verschwand er in seinem Zimmer. Er verschloss es von innen, damit der Alte nicht unvermittelt hereinplatzen konnte.
Joel legte die Unterlagen auf den Boden und schaute als Erstes unter das Bett.
Nach wie vor lagen die toten Katzen dort.
Joel zog sie behutsam hervor und betrachtete sie eine Weile. Mit einer trübe gewordenen Sicht schob er sie unter das Bett zurück und dachte daran, dass morgen, wenn er sie beerdigte, der endgültige Abschied von ihnen stattfinden würde.
Doch jetzt hatte er eine lange Nacht vor sich, die der Lektüre der Handbücher gewidmet war.
Im Schneidersitz saß er auf dem Bett und las mit gesenktem Haupt Handbuch um Handbuch, Kapitel um Kapitel, Detail um Detail.
Er schob seinen Finger hinter die Brille, um ein Auge zu reiben, das nicht mehr so recht offen bleiben wollte.
Dann fiel ihm das Buch aus der anderen Hand.
Joel schaute zum Fenster, sah, dass draußen schon der Morgen graute.
Er streckte sich auf dem Bett aus, senkte den Kopf ins Kissen und nahm sich vor, eine Pause zu machen.
Aber nur kurz!
11
Als Joel am Sonntag erwachte, war es Mittag. Er brauchte eine Weile, um wach zu werden, hatte Kopfschmerzen und fühlte sich nicht gerade gut.
Ob Vater schon weg war?
Plötzlich hörte er Schritte im Flur.
Joel lauschte gespannt und erkannte an der Gangart, dass es Mutter war, die verhalten an seine Zimmertür klopfte.
Er erhob sich, ging zur Tür, drehte den Schlüssel um und wandte sich ab, ohne die Tür zu öffnen.
Mutter drückte die Klinke herunter, öffnete die Tür einen Spalt weit und streckte ihren Kopf ins Zimmer. „Die Eier werden kalt.“
„Mama, ich …“ Joel dehnte sich und Mutter schloss die Tür von außen.
Er stand auf, zog sich an, ging in die Küche, nahm ein Glas Wasser und warf zwei Aspirin in seinen Mund. „Ist der Alte schon weg?“
„Joel!“ Sie unterbrach ihr Gemüsehacken und sah ihn an. „Er hat eine Verabredung und geht von da aus gleich zur Arbeit.“
Gott sei Dank!
Nachdem er eine Tasse Kaffee getrunken hatte, ging er in sein Zimmer zurück, holte die Katzen unter seinem Bett hervor und trug sie in den Garten hinter dem Haus. Er legte sie gemeinsam in einen Plastiksack und hob ein kleines Erdloch aus. „Euer Tod wird nicht ohne Folgen bleiben, das verspreche ich!“ Joel hatte geflüstert und hielt jetzt einen Moment inne. Dann schaufelte er das Grab zu.
Im Haus erbat er sich unter einer Entschuldigung Ruhe von Mutter, verzog sich ins Zimmer und studierte die Handbücher, machte Auszüge, notierte sich hier und da etwas und kam gut voran. Hin und wieder ging er, wenn Mutter gerade oben im elterlichen Schlafzimmer war, ins Wohnzimmer und schaute im Schrank nach, was er noch so finden konnte. Bald stellte er fest, dass er so ziemlich alles beisammen hatte, was einen angehenden Einbrecher restlos glücklich machen konnte.
Am Abend machte Joel die letzten Notizen und jetzt kannte er auch die Einrichtung der Alarmanlagen des Kaufhauses. Und nicht nur das. Er war im Besitz von Bauskizzen, Begehungsplänen, wusste, wo welche Büros lagen und wie Not- und Personaleingänge gesichert waren.
Die einzige Sorge galt der Frage, ob die Aufzeichnungen aktuell genug waren, um vor etwaigen Überraschungen gefeit zu sein. Auf einem Einführungsblatt zu den Alarmanlagen, das mit Ganzhaus-Sicherungskonzept überschrieben war, fand er die eindrückliche Warnung der Hersteller, mit dem Gang der Zeit Schritt zu halten. Das Blatt datierte zu Joels Beunruhigung auf einen Tag vor über zwei Jahren und er wusste eben nicht, ob die Anlage zwischenzeitlich modernisiert worden war. Doch war klar, dass bei Einbrüchen wohl immer ein Restrisiko bleiben würde.
Wenigstens hatte Vater am Samstag keinen Dienst. Denn dies war ja eine der Voraussetzungen, um an die Schlüssel und Chipkarten heranzukommen, die sie brauchten, um unbemerkt ins Kaufhaus eindringen zu können.
Am Montag fuhr Joel zum Stadtpark.
Pünktlich um 14 Uhr kam er am verabredeten Eingang zum Tierpark an, wo Bronco, Linda und
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