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BLUTIGER FANG (German Edition)

BLUTIGER FANG (German Edition)

Titel: BLUTIGER FANG (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Pflock
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bis Vater eingeschlafen war. Der war – wie fast immer, wenn er nicht arbeitete – im Haus und hatte sich hingelegt, weil er gestern Nachtdienst im Kaufhaus gehabt hatte. Gott sei Dank war heute Mutter nicht zugegen, die einen Besuch bei ihrer Schwester machte und noch nicht zurück war.
    Joel fing an, alles, was sie heute brauchen würden, in einen Rucksack zu packen. In kurzen Abständen erfolgte dabei der Blick auf die Uhr. Dann verließ er sein Zimmer und schlich über den Flur, um ins Wohnzimmer zu gehen.
    Er fühlte sich eigenartig. Du bist auf dem Weg, zum Verbrecher zu werden!, rief ihm eine innere Stimme zu. Mehrfach hatte er in den letzten Tagen seit der Besprechung gezögert, war auch drauf und dran gewesen, die Sache abzublasen, doch war ihm dies unmöglich. Seit der Tötung der Katzen hatte sich irgendetwas in ihm nachhaltig verändert. Er dachte, wenn er sein Vorhaben anzweifelte, an die toten Tiere und die Zweifel waren wie zerstoben. Wut und Entsetzen ergriffen ihn immer noch, wenn er an den vorigen Samstag dachte. Ja, es war heute exakt eine Woche her, dass Vater die Tiere getötet hatte, und in dieser Woche war es zu keiner Aussöhnung, nicht einmal zu einem Gespräch gekommen. Er war Vater aus dem Weg gegangen. Und auch der war offenbar nicht daran interessiert gewesen, mit Joel zu sprechen oder ihn gar um Vergebung zu bitten. Ob Joel ihm diese Vergebung gewährt hätte, vermochte er nicht zu entscheiden. Das Einzige, was ihn überkam, wenn er an Vater dachte, waren Ekel, Widerwillen und still vor sich hin glühender Hass.
    Und außerdem: Wie hätten Bronco und die anderen reagiert, wenn er sich mir nichts, dir nichts aus der Sache zurückgezogen hätte? Bei Linda war er sich nicht sicher, sie war die ganze Zeit nicht so begeistert gewesen; bei Bronco und Frank wäre die Antwort jedoch eindeutig und vermutlich auch recht schmerzhaft ausgefallen.  
    Joel fand sich plötzlich im Wohnzimmer wieder, wo die Uniformhose lag, die Vater gestern getragen hatte. Immer, wenn er vom Nachtdienst zurückkam, ging er dorthin, legte eine DVD ein – gestern war es Der Luftkrieg –, zog sich bis auf die Unterwäsche aus, glotzte, trank Bier und schlief am Morgen im Sessel ein. Nach ein paar Stunden wurde er wach, aß etwas und schleppte sich ins Schlafzimmer, um seinen heillosen Schlummer dort fortzusetzen. Und so musste das wohl auch heute gelaufen sein.
    Joel suchte die Hose ab.
    Die Geldbörse war nicht da.
    Vielleicht hatte er sie im Halbschlaf mit nach oben genommen? Joel hätte das nicht gewundert. Den Wachleuten wurde eingetrichtert, den Schlüssel nie unbeaufsichtigt zu lassen.
    Mit einem mulmigen Gefühl in den Knochen entschloss er sich hochzugehen, nachdem er im Wohnzimmer und in der Küche alles abgesucht hatte. Auch in der Jackentasche des Vaters, die im Flur hing, war die Geldbörse nicht.
    Er streifte die Hausschuhe von seinen Füßen und ging über den kühlen Steinboden zur Treppe.
    Fuß um Fuß setzte er nach oben und hatte dabei alle Sinne angespannt. Oben war die Tür zum Schlafzimmer nur angelehnt und Joel konnte Vater schon von draußen schnarchen hören. Er lugte durch den Türspalt und sah die Geldbörse auf dem Nachttisch liegen, ungefähr drei Hand breit vom Kopf des Vaters entfernt. Würde der die Augen aufschlagen, könnte er die Börse dort liegen sehen.
    Joel entschied sich, die Börse nicht wegzunehmen, das wäre zu auffällig gewesen. Nein, er musste den Schlüssel an Ort und Stelle herausholen und dabei alle Vorsicht walten lassen.
    Lautlos schlich Joel in das halbdunkle Schlafzimmer. Er hörte nicht nur Vaters Schnarchen, sondern auch den Wecker und vor allem das eigene Herz schlagen.
    Vater atmete regelmäßig, was er als ein Zeichen festen Schlafes deutete. Noch lag er mit dem Rücken zu ihm gewandt, was sich gleich ändern würde, wenn er um das Bett herumschlich, um an den Nachttisch zu kommen.
    Joel ließ ihn keinen Moment aus den Augen und versuchte, nicht zu atmen. Plötzlich hatte er die Ecke des Betts erreicht und stand jetzt zu Füßen seines Vaters. Da der Nachttisch jedoch am Kopfende war, musste er noch zwei Meter zurücklegen.
    Einen Moment verharrte Joel und traute sich nicht vor. Er beobachtete Vater unentwegt und atemlos, sah neben ihm das Kopfkissen der Mutter liegen und wieder überkam ihn – gerade jetzt, wo es überhaupt nicht passte – eine Fantasie, worin er ihn mit dem Kissen erstickte, was natürlich nie gelingen würde, weil er viel stärker war als

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