BLUTIGER FANG (German Edition)
das kleine Männchen hinterm Tresen und stand nun ganz dicht bei ihr.
„Ich wollte einen Satz mit Rundtwisterhaken … und dann noch ‘n Satz flachschwimmende Wobbler für Raubfische, mit Geräuschkugeln.“ Er tippte mit dem Finger auf die Bilder, die diversen Anglerbedarf zeigten.
Linda ging einen Schritt zur Seite. Die Kommentare des Mannes stimmten nicht mit der Lage seines Fingers im Katalog überein. Mann, der nervte vielleicht! Ruckartig blickte sie ihm ins Gesicht und sah, dass er gar nicht in den Katalog, sondern in ihren Ausschnitt stierte, der ihre Brust oben rum freigab. Trotzdem es noch etwas kühl war an diesem Vormittag, trug sie nur ein rotes Unterhemd mit Spagettiträgern und darunter einen Sport-BH. Für so einen alten Lüstling ein betörender Anblick und zwei gute Gründe mehr, die Auswahl idiotischer Angelhaken nach Möglichkeit auf den ganzen Vormittag auszudehnen.
Linda riss sich von der Ladentheke weg. „Suchen Sie mal weiter, Herr Gärtner, ich bin gleich zurück.“ Sie ging nach hinten in ein kleines Büro. Dort zog sie ein Sweatshirt über, nahm den Telefonhörer ab und wählte eine Nummer.
„Also, einer von euch muss reinkommen und den geilen Sack verscheuchen. Der Typ hängt hier sonst rum bis halb drei und wir kriegen das Zeug nicht raus.“ Dann ging sie in den Laden zurück.
Gärtner verharrte bei den Angelhaken. Sein Blick fiel auf Lindas Sweatshirt und er fühlte sich wohl ertappt, denn er errötete. Als zudem noch Bronco in den Laden trat, hatte der Alte es plötzlich eilig. „Ich nehme diesen Satz mit, Linda, und äh, die Wobbler brauche ich heute doch nicht …“
„… die sind auch nächsten Samstag noch da, Herr Gärtner, ganz bestimmt.“ Ihr Ton kam ihr sehr hart vor.
Gärtner warf ihr zur Verabschiedung einen kurzen Blick zu, und Linda nutzte diesen Moment, um das Sweatshirt extra aufreizend wieder auszuziehen. Gärtner lächelte gezwungen und betört zugleich und zog endlich ab.
„Was für ein geiles Schwein“, sagte Linda, als Gärtner draußen war.
„Na, na, sei nicht so streng mit ihm. Is’ ja auch kein Wunder, wenn man dich so anguckt.“ Bronco küsste sie.
Zum Glück waren keine anderen Kunden da und so konnte Bronco gleich eine der Kisten hinaustragen. Er gab Frank ein Zeichen, woraufhin der BMW aufheulte.
Frank wechselte die Straßenseite und hielt vor dem Geschäft an. Dann stieg er aus und öffnete den Kofferraum, während Bronco mit dem Karton den Laden verließ. Frank setzte sich ans Steuer und Bronco holte die zweite Kiste. Als er erneut hinausging, kamen ihm zwei Passanten entgegen, die noch in den Laden wollten.
„Tut mir Leid, wir haben geschlossen“, sagte Linda und die Passanten drehten auf dem Absatz wieder um.
Dann sah sie weiter zu, wie Bronco die zweite Kiste in den Kofferraum lud.
Kurz darauf saßen sie gemeinsam im Auto. Unterwegs erzählte Bronco, dass sie alle Werkzeuge dabeihätten. Sie würden also ein leichtes Spiel haben und sie solle sich keine Sorgen machen. Es würde alles gut gehen – bald würde er die Schulden bei Konrad bezahlen und seine Ehre in der Szene wahren können.
Joel bereitete sich am frühen Abend darauf vor, Schlüssel und Chipkarten aus dem Depot im Flur zu klauen, was ihn schon den ganzen Tag nervös gemacht hatte, wenn er auch nur daran dachte. Sonst hatte er diese Schlüsselkassette nie beachtet. Jetzt bekam der graue Metallkasten ungeahnte Aufmerksamkeitsehren.
Das Schlüsseldepot war von Sesam, Modell SKS 20. Rumpf und Tür waren aus Stahlblech gezogen, die Rückwand zur Befestigung an der Wand gelocht. Der kleine Kasten, in dem sich 20 durchnummerierte Schlüsselhaken befanden, war etwa 20 Zentimeter hoch und 16 Zentimeter breit. Zwei Schlüsselleisten hingen auf der Innenseite der Tür, drei an der Rückwand. Diese war mit vier Schrauben an die Flurwand fixiert und hielt den Kasten in bequemer Augenhöhe.
In dem Schrank bewahrte Vater alle Schlüssel und auch die Chipkarten auf, die er für den Dienst im Kaufhaus brauchte. Da Vater nur dort eingesetzt wurde, bestand auch keine Gefahr, Schlüssel in die Hand zu bekommen, die von anderen Schutzobjekten stammten. Insofern brauchte Joel nur alles abräumen und konnte verschwinden.
Das Problem war nur, dass der Schlüssel zum Depot selbst nicht steckte. Vater ließ ihn nie dort, sondern hatte ihn immer in seiner Geldbörse. Und wo die war, wusste Joel nicht.
Er ging zurück in sein Zimmer und überlegte. Er musste warten,
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