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BLUTIGER FANG (German Edition)

BLUTIGER FANG (German Edition)

Titel: BLUTIGER FANG (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Pflock
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war aufgestanden, lehnte an ein Regal und sah abwechselnd zwischen ihm und dem Rolltreppenaufgang hin und her, den sie aus dieser Entfernung wohl nur schemenhaft erkennen konnte.
    Dann verharrte ihr Blick stumm auf ihm. Sie war offenbar froh, dass er nicht sprechen, ihr nicht ins Gewissen reden konnte – sie hätte es wohl kaum ausgehalten. Sie schien zu fühlen, dass das Eis sehr dünn war, das ihre Entscheidung trug – für Bronco und gegen ihn; und auch, dass Joel das Zeug gehabt hätte, dieses Eis zum Einbrechen zu bringen.
    Das Schweigen und die Stille dieser Situation entsprach in einem gewissen Sinn der Sprachlosigkeit der Vernunft, die er für sich in Anspruch nahm. Lindas Verliebtheit hingegen pfiff auf rationale Entscheidungen, nüchterne Überlegungen oder klares Denken, ja offenbar selbst auf die Umsetzung des wegen Frank moralisch unbedingt Gebotenen. Wenn Sehen auch Verstehen hieß und Liebe bekanntermaßen blind machte, dann verstand sie nicht.
    In Linda dominierte ein Liebeswille, der von vornherein die Macht hatte über alles andere, was sie bewegte oder hätte bewegen können. Und dass, was dieser Wille beeinflusste, war ihre Vernunft. Eine Vernunft, die ihr immer dann, wenn sie sich gegen sie selbst wandte, vermutlich genauso dürftig, geringfügig und eben sprachlos vorkam wie im Moment er selbst: geknebelt und gefesselt am Boden liegend. Wenn Bronco die Liebe – oder was auch immer das war – verkörperte und Joel die Vernunft, dann hatte die Liebe gesiegt. Wie jämmerlich lag er doch da, wie hilflos musste die Einsicht in das Richtige versauern – während Bronco aller Wahrscheinlichkeit nach gerade vollendete Tatsachen schaffte.
    Doch Linda schien nervöser zu werden. Offenbar fragte sie sich, warum das so lange dauerte. Sie setzte sich hin, erhob sich aber gleich wieder, um nach den Rolltreppen zu sehen, und erschrak beim kleinsten Geräusch, etwa wenn die Aggregate der Kühlregale ansprangen.
    Dann blickte sie ihm in die Augen.
    Er spürte, sie kämpfte mit sich.
    Plötzlich beugte sie sich zu ihm hinunter …
     
    Der Wächter hielt mit ruhigen Schritten auf die Rolltreppe zu und leuchtete mit der Taschenlampe in alle Richtungen. Dabei durchkreuzte der Lichtstrahl auch mehrmals den Raum über Bronco.
    Bronco hörte den Wächter laut gähnen. Er bekam den Eindruck, dass der Wächter überhaupt nicht mit der Möglichkeit zu rechnen schien, dass irgendwer je einmal in dieses Kaufhaus einbrechen könnte.
    Da fiel Bronco siedend heiß die Fernbedienung ein, die er bei der überstürzten Flucht hatte fallen lassen. Er befürchtete, der Wächter könne sie finden, wenn er weiter mit der Taschenlampe so herumleuchtete. Doch zum Glück zerschnitt der Lichtstrahl die Dunkelheit nur in Mannshöhe, sodass die Gefahr relativ gering war, er könne sie entdecken. Und außerdem bewegte er sich mit jedem weiteren Schritt von der Stelle weg, wo die Fernbedienung ungefähr liegen musste.  
    Eingedenk der Fernbedienung dachte Bronco an das Modellauto im Restaurant. Und dann wurde ihm klar, wie er den Wächter am zuverlässigsten da hineinlocken könnte. Das Dumme war nur, dass er sie jetzt nicht zur Hand hatte.
    Bronco befingerte die Knusperpackung, die er in den Händen hielt, und überlegte. Sollte er versuchen, sie einfach ins Restaurant zu schleudern, wenn der Wachmann in die andere Richtung leuchtete?
    Noch immer hinter dem Kühlschrank versteckt sah er, wie der Wächter sich unaufhaltsam der Rolltreppe näherte.
    Auch der Gedanke an das Handy stieß ihm auf. Das hatte er bei der Flucht ebenfalls verloren. Es musste irgendwo auf der Rolltreppe oder in deren Nähe liegen. Bronco war klar, dass der Wächter es entdecken könnte – und dann würde er eventuell Alarm schlagen. Doch konnte jemand das Handy natürlich auch am Tage verloren haben.
    Aus den Überlegungen zurückkehrend schreckte er auf. Der Wächter ging schon die Treppe hinunter.
    Kaum war der nicht mehr zu sehen, rannte Bronco lautlos aus der Deckung hervor und eilte zu der Stelle, wo er vorhin gestanden und die Fernbedienung fallen gelassen haben musste.
    Er fand sie zufällig, weil er mit dem Fuß gegen sie stieß. Bevor er sich bückte, um sie aufzuheben, sah er hinüber zum Eingang des Restaurants, zu dem es von hier aus noch etwa zehn Meter waren.
    Eine Gänsehaut bildete sich unter der Schweißschicht, die seinen Rücken bedeckte und das T-Shirt benetzte. Er fror und schüttelte sich etwas. Selbst aus dieser Entfernung wirkte der

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