Blutiger Freitag
die Spuren gut halten. Er hatte die Stiefel bereits mit Socken in den Spitzen ausgestopft, sodass sie relativ bequem waren und er auch darin rennen konnte, sollte es nötig sein.
Die Joggingschuhe hatte er in einer Umhängetasche verstaut, zusammen mit anderen nützlichen Dingen. Zum Beispiel eine mit Gift gefüllte Spritze, die er immer bei sich trug. An solche Details zu denken gehörte zu seinem Job als Projektmanager. Er musste alles organisieren. Auch sein eigenes Ableben, wenn die Zeit gekommen sein sollte. Heute allerdings würde er die Spritze für den überlebenden Boten hervorragend nutzen können.
Es war nicht vorgesehen gewesen, dass er den Ort des Geschehens noch einmal aufsuchte. Doch für den Fall des Falles hatte er schon vor Tagen alle notwendigen Vorkehrungen getroffen. Sorgfältig hatte er sämtliche Abläufe im Einkaufszentrum beobachtet, bis er alles in- und auswendig kannte. Innerhalb von Sekunden würde die Sicherheitsabteilung über Lautsprecheranlage einen „Vorfall“ melden und die Schließung des Gebäudes veranlassen. Die Läden würden ihre Gitter herunterlassen und ihre Waren sichern. Inzwischen würde die Sprinkleranlage in der zweiten Etage aktiviert werden, und alle Fahrstühle würden außer Betrieb gesetzt werden.
Sobald die Sprinkleranlage losging, wurde automatisch die Feuerwehr alarmiert. Asante erwartete jeden Augenblick das Sirenenheulen zu hören. Tatsächlich war er erstaunt, dass immer noch alles so still war. Aber durch die verschneiten Straßen dauerte es womöglich länger.
Der Feuerwehr würde die Polizei folgen. Sobald der Verdacht auf einen Terroranschlag bestand, würde man ein Bombenexpertenteam und Scharfschützen einsetzen. Die Sicherheitsleute vom Einkaufszentrum trugen keine Waffen. Asante schätzte, dass er zwischen zehn Minuten und einer halben Stunde hatte, bevor es hier im Gebäude von Polizisten und Rettungsleuten nur so wimmeln würde.
Während er durch den Schnee stapfte, stellte er seine Stoppuhr ein.
Dreißig Minuten sollten ausreichen, um einen fehlgeleiteten Boten ausfindig zu machen und zu eliminieren.
8. KAPITEL
Patrick schlug die Scheibe ein, um an den Feuerlöscher zu kommen. Einige Meter entfernt hatte die Explosion zahlreiche Schaufenster herausgeschlagen und das Mauerwerk zerstört, doch die Glasscheibe vor dem Feuerlöscher war völlig intakt. Er zog am Sicherungshebel, bereit, das Gerät zu benutzen, sah aber lediglich Rauch, keine Flammen. Mühsam kämpfte er sich durch den grauen Nebel, der sich dick und klebrig wie ein schwüler Sommermorgen anfühlte.
Wieder schlug Patrick die Gegenrichtung ein. Diesmal wartete er allerdings, bis sich ein Schwall von Einkäufern an ihm vorbeigeschoben hatte. Erst dann lief er weiter.
Über Lautsprecher hörte er die Computerstimme, die ständig dieselbe Ansage wiederholte: „Es gab einen Zwischenfall im Einkaufszentrum. Bitte verhalten Sie sich ruhig. Gehen Sie langsam zum nächsten Ausgang – bitte nicht rennen!“ Aus den Lautsprechern der Geschäfte tönten immer noch Weihnachtslieder. Niemand schien es überhaupt zu bemerken.
Patrick blieb stehen, um einer Frau zu helfen, die man abgedrängt hatte. Sie versuchte hektisch, ihr Baby aus dem Kinderwagen zu ziehen. Das Kind sah unverletzt aus, schrie aber laut. Die Mutter hatte die Augen vor Schreck weit aufgerissen.
„Oh mein Gott, oh mein Gott“, murmelte sie ständig vor sich hin.
Mit zittrigen Fingern zerrte sie an den Decken und Gurten, die das Baby an den Wagen fesselten. Sie verlor das Gleichgewicht und wankte vor und zurück wie eine Betrunkene. Patrick fiel auf, dass sie keine Schuhe trug. Ihre Füße bluteten bereits von den Glassplittern, die auf dem Boden verstreut lagen. Er sah sich suchend um und entdeckte die hochhackigen Pumps, die sie offensichtlich beiseitegeworfen hatte. Er hob sie auf und reichte sie ihr.
„Ihre Füße“, sagte er und deutete auf den Boden.
Sie schien ihn nicht zu hören, blickte noch nicht einmal zu ihm auf. Als sie das Baby endlich im Arm hatte, rannte sie zur Rolltreppe, ließ den Kinderwagen, die Windeltasche, eine Handtasche ... und ihre Schuhe zurück. Die Blutspur, die sie dabei hinterließ, bemerkte sie nicht.
Patrick löschte einen Brand in einem Handyladen, der von der Explosion bereits zum größten Teil verkohlt war. Er erkannte ein paar Läden wieder und wusste, dass er sich der Cafeteria näherte.
Es musste gleich um die Ecke sein. Hier war der Rauch noch dichter. Man konnte immer
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