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Blutiger Freitag

Blutiger Freitag

Titel: Blutiger Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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weniger erkennen. Patrick tastete sich an der Wand endlang und blickte dabei ständig nach unten. Der Boden war voller Müll, es knackte unter seinen Füßen und fühlte sich glitschig an. Er fürchtete, die Gummisohlen seiner Sneaker könnten nicht dick genug sein, um ihn vor den größeren Glasscherben und Metallstücken zu schützen. Durch den Rauch erkannte er das Hinweisschild zu den Toiletten. Es baumelte von der Decke herunter, und Patrick erinnerte sich, Rebecca hier zuletzt gesehen zu haben.
    Endlich.
    Doch er konnte keine Tür mehr ausmachen. Stattdessen klaffte dort ein riesiges Loch. Die Wand war herausgerissen, und die Mauerreste waren verkohlt. Ein paar Steinblöcke hingen lose aneinander wie Bauklötzer, die jemand von der anderen Seite herausgestoßen hatte. Wasser sickerte aus einer der Öffnungen im Mauerwerk, und der Gestank von faulen Eiern, wahrscheinlich vom Abwasser, hing in der Luft.
    Patrick betete, dass Rebecca nicht mehr in der Toilette gewesen war, als die Bombe explodierte.
    Im selben Moment rutschte er aus, stieß gegen die scharfe Kante der Steine und schürfte sich die Handfläche dabei auf. Als er nach unten sah, fiel ihm zuerst das lange dunkle Haar auf, und er dachte, er wäre über eine Kleiderpuppe gestolpert. Die Beine waren so merkwürdig ineinander verdreht, dass sie aussahen, als wären sie aus Kunststoff. Doch die Augen, die ihn unter dem zerzausten Haar anstarrten, bestanden keineswegs aus Plastik. Der Unterkiefer war aus dem Gesicht herausgerissen und hatte ein klaffendes Loch hinterlassen, das wie ein makabres Grinsen wirkte. Patrick wollte ihr aus dem ersten Impuls heraus aufhelfen, aber gleich darauf wurde ihm klar, dass sie unmöglich noch am Leben sein konnte.
    Er blickte noch einmal zu den verdrehten Beinen hinunter, über die er fast gefallen wäre, und zum ersten Mal wurde ihm schwindlig, und die Knie drohten unter ihm nachzugeben.
    Die Beine der Frau waren nicht mehr mit dem restlichen Körper verbunden.

9. KAPITEL
    Lanoha’s Baumschule
    Omaha, Nebraska
    Nick Morrelli zog seine Kreditkarte heraus. Er wusste, dass seine Schwester Christine ihn beobachtete, deshalb versuchte er, nicht das Gesicht zu verziehen. Oder sich mit irgendeiner anderen Geste zu verraten. Denn darauf lauerte sie ja nur.
    Sie hatte ihm bereits versichert, dass er für die zwei Meter siebzig hohe Tanne nichts zu zahlen brauchte. Tatsächlich hatte sie ihm das sogar schon dreimal erklärt – mit dem Erfolg, dass er erst recht darauf bestehen und dann auch noch so tun musste, als wäre das keine große Angelegenheit. Und warum sollte es das auch sein? Es tat ja nichts zur Sache, dass er gerade eine hervorragende Stelle bei der Staatsanwaltschaft in Boston aufgegeben hatte, um nach Omaha zurückzuziehen. Es war ja nicht so, dass er gefeuert worden wäre. Die Entscheidung hatte ausschließlich bei ihm gelegen.
    Entscheidung, nicht überstürzte Handlung.
    Überstürzte Handlung war die Bezeichnung, die seine Mutter und Christine benutzten.
    „Dein Vater weiß, dass du ihn liebst, Nicky“, hatte seine Mutter ihm versichert, als er ihr eröffnete, dass er nach Nebraska zurückkäme. „Er erwartet nicht von dir, dass du auf alles verzichtest, was du dir aufgebaut hast, um an seiner Seite zu sein.“
    Damals hätte Nick ihr am liebsten gesagt, dass Antonio Morrelli aber genau das wünschte. Er wollte garantiert, dass alle sich von ihrem alten Leben losrissen und sich neu arrangierten, um für ihn da zu sein. Besonders jetzt, wo ihm wohl nicht mehr lange Zeit blieb. Nach einem schweren Schlaganfall vor einigen Jahren war Nicks Vater gelähmt und bettlägerig. Nun konnte er nur noch mit den Augen kommunizieren. Vielleicht war es einfach nur Einbildung, aber Nick hätte schwören können, dass er noch immer die Enttäuschung in diesem Blick erkennen konnte – jedes Mal, wenn der Mann ihn mit seinen inzwischen wässrig gewordenen eisblauen Augen ansah.
    Sein ganzes Leben lang hatte Nick versucht, den hohen Erwartungen seines Vaters zu entsprechen. Antonio Morelli hatte bei den Nebraska Huskers als Quarterback gespielt. Also war Nick auch zu den Huskers gegangen. Aber nach nur einer Saison war Schluss gewesen – eine Riesenenttäuschung für seinen Vater. Sein Vater hatte Jura studiert, und auch hier folgte Nick seinem Bespiel. Doch obwohl er zu den Besten seines Jahrgangs gehörte, hatte er nach der Uni keine Lust gehabt, als Rechtsanwalt zu arbeiten. Und schon gar nicht in der Kanzlei seines

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