Blutiger Freitag
sie so intensiv, das kannte sie von ihm gar nicht. Was hatte das zu bedeuten? War es Sorge um sie, Panik, Erschöpfung? Oder irgendetwas anderes?
Wie genau kannte sie Patrick Murphy überhaupt?
„Geht es dir gut?“, erkundigte er sich und griff wieder nach ihrer Hand.
Sie zog sie schnell zurück und fasste sich dafür an den bandagierten Arm, als würde der ihr plötzlich unerträglich wehtun.
„Haben sie mir Medikamente gegeben? Gegen die Schmerzen?“
„Ich glaube, sie hat es nur örtlich betäubt.“ Patrick blickte sich suchend nach einer Schwester oder einem Sanitäter um. „Tut es sehr weh?“
Jetzt gab es keinen Zweifel – er sah sie besorgt an.
„Könntest du nachfragen, ob sie Advil oder so was Ähnliches haben?“
„Na klar. Ich bin gleich wieder zurück.“
Rebecca beobachtete, wie er sich einen Weg durch die vielen Verletzten bahnte und zum nächsten Ausgang ging. Sie klopfte vorsichtig ihre Taschen ab und hielt sofort inne, als er sich noch einmal umblickte. Als Patrick endlich außer Sichtweite war, wandte sie sich um und suchte ihren Mantel. Dabei fiel ihr Blick auf Dixons iPhone. Es war ausgestellt. Sie beschloss, es erst mal nicht einzuschalten.
Rebecca klammerte sich an die Bettkante und hätte fast die Infusionsnadel in ihrem Arm vergessen. Hastig warf sie einen Blick über die Schulter. Kein Patrick. Sie biss sich auf die Unterlippe und zog die Nadel aus dem Arm. Dann ließ sie langsam die Bettkante los und machte vorsichtig ein paar Schritte.
Immer noch kein Zeichen von Patrick. Sie entdeckte ein Hinweisschild, das zum Ausgang führte, und ging langsam darauf zu. Kurz darauf stand sie in der Hotellobby, wo sie sich einen Weg durch die vielen Menschen bahnte und nach einem Geldautomaten Ausschau hielt. Niemand achtete auf sie. Es herrschte zu viel Aufregung. Auf dem Weg zum Bankautomaten hielt sie den Kopf gesenkt, blickte sich aber ständig unauffällig um. Sie schob ihre Bankkarte in den Schlitz, gab ihre Pinnummer ein und wartete. Sie würde ausreichend Geld für eine Taxifahrt und etwas zum Essen abheben. Vielleicht sollte sie lieber noch etwas für ein Hotelzimmer dazunehmen, irgendeins in der Nähe des Krankenhauses.
Die Karte wurde wieder ausgespuckt, und auf dem Display blinkte die Nachricht: „Karte ungültig“.
Das muss ein Irrtum sein.
Sie hatte die Karte während ihres gemeinsamen Trips mehrere Male in unterschiedlichen Automaten benutzt. Sie wusste, dass sie noch 425 Dollar auf dem Konto hatte. Wieder schob Rebecca die Karte in den Schlitz. Diesmal kam sie wieder heraus, bevor sie die Pinnummer eingeben konnte, und dieselbe Nachricht blinkte auf.
Rebecca sah sich um. Es achtete immer noch keiner auf sie. Dafür herrschte ein zu großes Chaos. Niemand bemerkte, wie sie plötzlich in Panik geriet.
Mit zitternden Händen kramte sie ihre Kreditkarte heraus. Vergangenen Monat hatte sie damit nur wenig abgehoben. Eigentlich musste sie also noch etwas Kredit haben. Dieses Geld hatte sie sich für eventuelle Notfälle aufgehoben. Und das hier war definitiv ein Notfall! Sie schob die Karte in den Schlitz, wartete und tippte ihre Geheimzahl ein. Vielleicht sollte sie besser etwas extra abheben, vor allem wenn ihre Bankkarte nicht akzeptiert wurde. Nur um sicherzugehen. Alles, was sie in der Tasche hatte, war das Wechselgeld von einem Zwanziger.
Ein Geräusch ertönte, und der Automat spuckte die Karte aus. „Ungültig“.
Keine Panik, der Automat war bestimmt nicht in Ordnung. Sie würde sich einen anderen suchen. Kein Grund zur Beunruhigung.
Vorsichtig bahnte sich Rebecca an Hilfskräften und Verletzten vorbei ihren Weg zum Ausgang. Im Vergleich zu den anderen war sie in guter Verfassung. Das sagte sie sich immer wieder. Dann schob sie sich durch die Seitentür und stand draußen.
Wann war es denn nur so dunkel geworden?
Die Kälte schlug ihr ins Gesicht. Rebecca hielt unwillkürlich den Atem an. Es schneite wieder. Der Wind hatte aufgefrischt. Auf dieser Seite des Hotels befanden sich nur in den äußeren Ecken des Parkplatzes Lampen. Und plötzlich schien sie der Mut zu verlassen. Sie war ganz allein. Nichts Neues eigentlich. Sie war es gewohnt, auf sich allein gestellt zu sein.
Aber warum fühlte es sich jetzt so an, als würde sie am Rand eines Abgrunds stehen?
28. KAPITEL
Es gab wenig brauchbares Material. Aber Maggie machte sich trotzdem genaue Notizen. Kleinigkeiten, die auf den ersten Blick unwichtig erschienen, konnten manchmal zur Lösung eines
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