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Blutiger Freitag

Blutiger Freitag

Titel: Blutiger Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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besser gehen“, versicherte ihm die Krankenschwester. „Ich muss Sie jetzt bitten, das Zimmer kurz zu verlassen, während wir den Beatmungsschlauch entfernen.“
    Henry rührte sich nicht von der Stelle. Wollte Hannah nicht allein lassen. Ihr Blick war flehentlich auf ihn gerichtet. Wie konnte er da gehen?
    Die Krankenschwester legte ihm die Hand auf die Schulter.
    „Es dauert nur ein paar Minuten. Ich hole Sie wieder herein, sobald wir fertig sind.“
    Henry versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie besorgt er war. Unsinn, er war nicht nur besorgt. Wem wollte er etwas vormachen? Er hatte Angst ... fürchterliche Angst. Er würde es nicht überstehen, diese Frau zu verlieren. Den Tod der Tochter zu erleben war eine Sache. So als hätte man ihm den Arm abgehackt. Aber Hannah? Das wäre, als risse man ihm das Herz aus der Brust. Mit nur einem Arm konnte man überleben. Es war schrecklich, aber man schaffte es. Ohne Hannah? Nein, er hätte niemals genug Kraft, um ohne sie weiterzuleben.
    „Ich bin gleich wieder da, Hannah. Die Krankenschwester wird gut für dich sorgen.“ Dann, als müsste er sich selbst überzeugen, fügte er noch hinzu: „Es wird dir bald besser gehen.“
    Er verließ das Krankenzimmer. Seine Knie fühlten sich so wacklig an, dass er sich an der Wand abstützen musste. Als die Doppeltür der Intensivstation hinter ihm zufiel, hatte er das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Der Warteraum war immer noch leer. Er ließ sich in einen der harten Vinylsessel fallen.
    Henry Lee blickte sich um. Noch immer keine Spur von Dixon. Seit der Junge mit seinem Handy verschwunden war, hatte er ihn nicht mehr gesehen. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass diese Leute Dixon für ihre Zwecke missbraucht hatten. Mein Gott, sie waren so weit gegangen, die Freunde des Jungen als Zielscheibe zu benutzen. Warum nur? Weil sie sichergehen wollten, dass Henry den Mund hielt?
    Er schloss die Augen. Das konnte er einfach nicht glauben. Er musste unbedingt noch einmal bei Allan anrufen. Herausfinden, was hier eigentlich gespielt wurde. Wie konnte sich eine Sache, die mit so ehrenvollen Absichten begonnen worden war, zu etwas so Widerwärtigem entwickeln? Wie konnte es so weit kommen, dass es ihnen allen nur noch um Macht und Geld ging?
    Dixon kam und kam nicht zurück. Das machte Henry noch nervöser. Er war so erleichtert gewesen, den Jungen unversehrt und sicher bei sich zu wissen. Aber inzwischen wurde er ungeduldig. Natürlich war Dixon wegen seiner Freunde besorgt, aber seine Großmuter hatte gerade eine schwere Herzoperation hinter sich. Er sollte hier an ihrer Seite bleiben ... an Henrys Seite.
    Henry gab es nicht gerne zu. Aber jetzt benötigte er Beistand. Vierzig Jahre lang hatte er sich abgearbeitet, um ein erfolgreiches Geschäft aufzubauen. Seine Firma konnte landesweit Erfolge verzeichnen. Sogar unter die fünfhundert erfolgreichsten US-Unternehmer war er vor einigen Jahren gewählt worden. Und auch nach Erreichen des Pensionsalters hatte Henry die Verantwortung nicht an jemand anders übertragen. Er hatte darauf bestanden, weiterhin den Vorsitz zu behalten. Es fiel ihm nicht leicht, die Entscheidungsmacht abzugeben. Er wollte weiterhin Kontrolle ausüben, oben bleiben. So hatte er jedenfalls bis vor Kurzem gedacht.
    Auf so etwas wie Hannahs Notoperation war er einfach nicht vorbereitet gewesen. Genauso wenig wie damals auf den Tod seiner Tochter.
    Nach den schrecklichen Ereignissen im April 1995 hatte Henry nicht geglaubt, dass ihn das Schicksal noch einmal so hart treffen könnte. Aber da hatte er sich offensichtlich getäuscht.
    Doch vielleicht kam es ja gar nicht so weit. Noch war Hannah hier. Noch war sie an seiner Seite. Im Moment war ihm alles andere egal. Es kümmerte ihn nicht, dass ihre Strategie vollkommen schiefgelaufen war. Oder etwa nicht? Hatten sie es womöglich genau so geplant?
    Langsam wurde Henry einiges klar. Das, was er für Patriotismus und Ehrgefühl gehalten hatte, schien im Grunde nur ein Vorwand zu sein. Seinen sogenannten Geschäftkollegen ging es lediglich darum, die Profite zu erhöhen und größere politische Macht zu erlangen. Henry hatte einen Fehler begangen. Das erkannte er jetzt. Die Familie war das Wichtigste im Leben. Alles andere – das Land, das Unternehmen, selbst die Ehre – erschien ihm jetzt zweitrangig.
    Das Tragische an der Sache war, dass gerade sein Familiensinn ihn überhaupt auf diesen Weg geführt hatte. Aber er war zu weit gegangen. Er hatte

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