Blutiger Freitag
spontan, was er ihr zukommen lassen konnte und was nicht.
„Wir sind keine Verbrecher“, sagte er schnell. „Das ist alles, was ich damit sagen will. Manchmal erscheinen unsere Methoden vielleicht ein bisschen unkonventionell. Aber wir haben getan, was wir für notwendig hielten, um Einfluss auszuüben. Wir haben Überzeugungsarbeit geleistet, um Amerika nicht vom Weg abkommen zu lassen. Ja, wir sind bis an die Grenzen gegangen. Aber es kamen keine Unschuldigen zu Schaden. Das müssen Sie mir glauben.“
Jetzt blickte er sich im Raum um, als wollte er sich vergewissern, dass auch wirklich niemand anderes zuhörte.
„Diese Sache heute. Das sollte nur aufrütteln, eine Warnung sein. In den Rucksäcken hätten sich nichts weiter als elektronische Störsender befinden sollen. Sie waren extra dafür konstruiert, die Computersysteme und Satellitensender des Einkaufzentrums zu stören. Ich habe selbst mitgeholfen, sie zu entwickeln. Es sollte praktisch ein elektronischer Blackout eintreten. Und zwar genau am sogenannten ,Black Friday’, dem umsatzstärksten Tag des Jahres. Wenn sämtliche Amerikaner ihre Einkäufe erledigen. Damit wollten wir zeigen, wie einfach ein Terrorist dieses System umgehen und dasselbe tun könnte – oder auch Schlimmeres.“
„Sie haben eindeutig bewiesen, dass Schlimmeres passieren kann.“
Maggie biss sich auf die Unterlippe. Ruhig, gelassen, unbeteiligt – sie konnte das hier ohne Gefühlsausbrüche über die Bühne bringen. Sie bemühte sich, nicht die Hände zu Fäusten zu ballen, und zwang sich, ruhig sitzen zu bleiben.
Nach einem kurzen betretenen Schweigen erwiderte Henry: „Sie haben recht. Jemand hat es zweifellos bewiesen. Jemand, der seine eigenen Pläne verfolgt hat. Diese Jungen hatten nicht das Geringste damit zu tun.“
„Kennen Sie die jungen Männer, die darin verwickelt waren?“
„Es sind Freunde meines Enkels. Chad, Tyler und Dixon haben die Sprengsätze ohne ihr Wissen in den Rucksäcken mitgenommen. Und Patrick – es ist unglaublich, dass sie überhaupt ein Foto von ihm haben. Er hatte überhaupt nichts damit zu tun. Patrick und Becca haben Dixon lediglich in die Mall begleitet.“
„Sie kennen Patrick Murphy?“
„Patrick und Becca haben gestern bei mir zu Hause Thanksgiving gefeiert und die letzten zwei Tage bei uns übernachtet. Sie studieren mit Dixon zusammen an der University of New Haven. Alle drei sind zusammen aus Connecticut zu uns gekommen. Haben dafür sogar eine Autotour von zwei Tagen in Kauf genommen. Gute Kinder. Gute, anständige Kinder.“
Er schüttelte den Kopf und bemerkte nicht, wie Maggie hart schlucken musste.
Patrick hatte nicht gelogen. Er hatte nichts mit dem Bombenattentat zu tun. Sie hätte ihm gegenüber nicht so kühl sein sollen. Sie hätte ihm vertrauen müssen, statt von ihm zu verlangen, dass er ihr vertraute. Jetzt saß sie hier vor dem Mann, mit dem Patrick Thanksgiving verbracht hatte und der mehr über ihren Bruder zu wissen schien als sie. Plötzlich krampfte sich ihr Magen zusammen, als ihr etwas klar wurde.
„War Patrick mit Dixon zusammen, als man ihn entführt hat?“
„Nein, Becca auch nicht.“
Sie konnte kaum ihre Erleichterung verbergen, aber Henry Lee starrte wieder auf seine Hände und schien nichts mitzubekommen.
„Dixon sagte, er hätte den Rucksack bei seinen beiden Freunden gelassen. Sind Patrick und Becca noch am Leben?“
Noch während er sprach, bemerkte Maggie die Erkenntnis in Henrys Blick. Bisher hatte er wohl noch nicht daran gedacht, dass Dixons Freunde bei der Explosion umgekommen sein könnten.
„Patrick ist am Leben. Ich weiß nicht, was mit Becca passiert ist.“
Henry Lee blickte sie an. „Dixon war hier im Krankenhaus mit mir“, berichtete er. „Ich war so erleichtert, dass er sich in Sicherheit befand. Dann haben ihn sich diese Mistkerle geschnappt. Deshalb weiß ich, dass sie alles beobachten.“
Er schwieg und atmete ein paarmal tief ein und aus, um seine Wut im Zaum zu halten. „Dixon hat sich Sorgen um seine Freunde gemacht. Er lieh sich mein Smartphone, um sich mit ihnen zu verständigen. Er hat ihnen eine SMS geschickt, weil er wissen wollte, ob es ihnen gut geht. So sorgen diese Hundesöhne dafür, dass ich immer erreichbar bin, kontrollieren mich. Mit meinem eigenen verfluchten Handy.“
„Wer genau sind denn ,sie’, Mr. Lee? Wer hat Ihren Enkel gekidnappt, wer hat die Bomben mit der Fernbedienung ausgelöst?“
„Derjenige, der mit dem Projekt
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