Blutiger Frühling
Herr ... der Herr dieser Burg ...« Christoph begann zu stammeln. »Glaubt mir, Jungfer – ich kann Euch keinerlei Auskunft geben. Denn er hat mir nicht gesagt, was er –«
Anna Elisabeth unterbrach ihn einfach. »Ihr missversteht mich, Christoph«, sagte sie mit fester Stimme. »Lasst mich ein, dann erkläre ich Euch, um was es mir geht. Aber unter vier Augen.«
»Oho«, brummelte der alte Torwächter und kniff vielsagend ein Auge zu.
»Nein, nein, Burkhart«, wehrte Christoph hastig ab, »nicht, was Ihr denkt! Die Jungfer will bloß ...«
»Was es auch sei, sie sieht ungefährlich aus«, brummte der alte Mann. »Das Tor ist auch mit mir allein gut bewacht – geht nur und lasst Euch von der Jungfer deutlich machen, was sie will.« Er schmunzelte in den Bart. »Der kleinen Hedwig flößt es vielleicht ein bisschen Eifersucht ein, Euch mit einer so hübschen Unbekannten zu sehen ...«
Christoph lief rot an. »Ich sagte doch, es ist nicht das, wonach es aussieht«, spuckte er ärgerlich. »Außerdem soll Hedwig denken, was sie will. Es kümmert mich nicht!«
Er lief hinunter. Anna Elisabeth konnte seine Schritte auf den hölzernen Stufen der schmalen Wendeltreppe knarren hören. Dann öffnete sich die Schlupftür, die im äußeren Burgtor eingebaut war, und der Weg war frei.
Christoph winkte Anna Elisabeth herein. Er war ganz in grüne Wolle gekleidet; nur der Koller, der seine Schultern umschloss, bestand aus dunkelrotem Rauleder. Ein Barett aus schwarzem Filz, dessen Rand geschlitzt war und gelbes Futter zeigte, saß ihm auf dem ungebärdigen Haar.
Seine Miene verriet Verlegenheit und auch Ärger. »Ihr macht mir viel Verdruss mit Eurem Besuch«, sagte er, »zumal ich Euch überhaupt nicht helfen kann. Denn mein Bruder ist...«
»Das weiß ich doch längst«, schnitt ihm Anna Elisabeth zum wiederholten Mal die Rede ab. Sie trat ohne weitere Umstände in den Burghof und bedeutete Christoph, mitzukommen. »Wir haben Wichtiges miteinander zu besprechen«, sagte sie. »Bringt mich an einen Ort, wo wir ungestört sind.«
Christoph spürte, dass Anna Elisabeth sich nicht würde abweisen lassen; ein gewisser harter Glanz in ihren Augen verriet das. »Gut denn.« Er gab sich geschlagen. »Setzen wir uns aufdie Bank beim Taubenhaus. Da ist um diese Tageszeit niemand. Aber ich kann nicht versprechen –«
»Das sollt Ihr ja auch nicht.« Anna Elisabeth ließ ihn den Satz erst gar nicht vollenden. Sie stand ungeduldig da, ihr Bündel fest an die Brust gepresst, und wartete darauf, dass er sie führte. »Gehen wir doch endlich, und verlieren wir nicht so viel Zeit mit Herumstehen!«
Er winkte ihr mitzukommen. Schweigend durchschritt er den äußeren Hof, trat durch ein weiteres Tor in den inneren Hof ein und wies Anna Elisabeth, als das Taubenhaus erreicht war, einen Platz auf der kleinen steinernen Bank an, die danebenstand. Sie war ihm schnellen Schrittes gefolgt und ließ sich jetzt müde auf der harten Sitzgelegenheit nieder.
»Da Ihr es so eilig hattet, stellt mir jetzt auch ohne Umschweife Eure Fragen«, verlangte Christoph, ohne sie anzusehen.
Anna Elisabeth fühlte sich nach den Anstrengungen ihrer langen Wanderung plötzlich erschöpft und ausgepumpt. Sie schloss für einen Moment die Augen. Dann, nach einigen tiefen Atemzügen, sagte sie: »Albrecht schrieb mir, er sei mit einem Standesgenossen auf Reisen gegangen. Was wisst Ihr darüber?«
Christoph sah sie verdutzt an. »Der Herr ... mein Bruder hat Euch ... geschrieben? Das glaube ich nicht. Wie solltet Ihr wohl einen Brief lesen können?«
»Das tut jetzt nichts zur Sache«, sagte Anna Elisabeth matt. »Gebt einfach Antwort, Christoph – und verschweigt mir nichts, weil ich es wissen muss.«
Der junge Mann lehnte sich mit dem Rücken an die schmale Seitenwand des Taubenhauses und presste die Lippen zusammen. »Er ist einfach davongeritten, ohne mir den Grund seines Abzuges recht zu erklären«, murmelte er verbissen. »Herr Florian Geyer hatte ihn besucht am Abend zuvor, und sie hatten sich lange beraten. Drauf ließ Albrecht die besten unsererBurgleute zusammenrufen, und ich musste ins Dorf, um einige unserer Bauern hierher zu holen.«
»Warum das?«
Christoph heftete den Blick auf Anna Elisabeths Gesicht, das jetzt äußerste Anspannung verriet. »Wenn ich das wüsste ...«, knurrte er. »Jedenfalls wurden die Waffen gesichtet und in Ordnung gebracht, und Herr Florian Geyer schien mir sehr erfreut über den guten Zustand, in dem sich unsere
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