Blutiger Frühling
nichts sagen. Doch sie wusste: Das Heer der Bauern war den Söldnern, die diese Stadt schützen sollten, an Zahl bei weitem überlegen. Zudem besaß nichtnur die Bürgerwehr von Weinsberg, sondern auch die Evangelische Bruderschaft Arkebusen und Musketen, mit denen Männer besser als mit jeder Armbrust von den Zinnen geschossen werden konnten. Es gab unter den Waffen der Bauernschaft sogar einige Geschütze, die ordentliche Löcher in Mauern rissen, wenn sie gut gezielt wurden.
Anna Elisabeth hatte während der dreitägigen Reise kaum mit Christoph geredet. Sie hatte sich um Albrecht gesorgt, und je näher sie der Stadt gekommen waren, wo er sich aller Wahrscheinlichkeit nach aufhielt, desto mächtiger war ihre Angst angewachsen. Was der alte Mann auf dem Ochsenkarren gesagt hatte, klang ihr immer lauter in den Ohren: »Alle die adligen Schurken sollten gevierteilt werden ...«
»Wie können wir am besten herausfinden, wo Albrecht ist?«, fragte sie jetzt ihren Begleiter.
Christoph fuhr im Sattel hoch, als habe er bis jetzt gedöst. »Wir fragen einfach in den Stallungen der Burg nach«, murmelte er zerstreut, »oder besser – wir sehen uns die Pferde an, die dort untergestellt sind. Den Falben meines Bruders erkenne ich unter Tausenden von Rössern wieder.«
»Ich auch«, dachte Anna Elisabeth. »Hoffentlich finden wir ihn bald«, sagte sie.
»Wir haben ja noch einen ganzen Tag Zeit«, meinte Christoph, sich über die Augen wischend. »Morgen werden die Bauern nicht angreifen ... nicht am heiligen Ostertag. Sie sind schließlich keine Heiden, die den Feiertag schänden.«
Das meinte Anna Elisabeth ebenfalls. »Nein, sicher nicht. Im Gegenteil.«
Sie waren am Burgtor angelangt. Die Wächter, die hier Dienst taten, hatten kaum einen Blick für die beiden staubbedeckten Reisenden übrig, die Einlass begehrten. Anna Elisabeth und Christoph wurden einfach durchgewinkt, was Christoph sehr sonderbar fand. Er fragte einen der Wächter: »Sagt, wirddie Torwache hier immer so lax gehandhabt? Wir könnten doch Späher sein, die eure Verteidigung auskundschaften sollen ...«
Der Wächter, ein alter Mann mit blauroter Säufernase, widmete Christoph einen abschätzenden Blick. »Ihr?«, sagte er dann und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Mein Junge – feindliche Kundschafter sehen anders aus!« Er räusperte sich und zupfte an einer Schnalle seines schlecht sitzenden Brustharnischs. »Macht, dass ihr weiterkommt«, raunzte er, während er Christoph den Rücken zukehrte, »wir haben hier weiß Gott Wichtigeres zu tun, als uns um Halbwüchsige zu kümmern, die noch nicht trocken hinter den Ohren sind.«
Die letzten Worte waren auf Anna Elisabeth gemünzt, die der Mann offenbar für einen jungen Milchbart gehalten hatte. Das lag wohl daran, dass ihr Haar von der Kapuze einer dicken, braunwollenen Gugel bedeckt war und sie wie ein Mann zu Pferd saß. Zudem verhüllte der weite Wettermantel ihre Beine.
Christoph schnalzte und brachte sein Ross zum Weitergehen. Anna Elisabeths Pferd, ein breit gebautes, kräftiges Saumtier, folgte ohne Aufforderung. Bei den Stallungen im äußeren Hof saß Christoph ab, band sein Tier an einem Haltering in der Stallmauer an und bedeutete Anna Elisabeth, noch im Sattel zu bleiben. »Ich werfe schnell einen Blick auf die Pferde, die hier einstehen«, sagte er. »Sollte der Falbe dabei sein, frage ich nach Albrechts Aufenthalt, und wir können ihn sofort aufsuchen. Finde ich ihn nicht, müssen wir weitersuchen.«
»Gut«, Anna Elisabeth war einverstanden. Sie spürte nach dem langen und vor allem ungewohnten Ritt ihre Knochen und Muskeln ohnehin kaum noch und war dankbar dafür, dass sie sich vorläufig nicht bewegen musste. So lange Christoph fort war, beobachtete sie ihre Umgebung.
Eine kleine Truppe war gerade in den Hof eingeritten. Anna Elisabeth zählte sieben Männer – Herren vom Adel offenbar, wie an ihrer bunten und teuren Kleidung auf den ersten Blickzu erkennen waren. Sie trugen Halbhosen, deren farbiges Seidenfutter aus vielen Schlitzen hervorquoll, und federgeschmückte Barette auf den halblangen Haaren. Nur einer von ihnen, ein alter Mann von mindestens sechzig Jahren, war altmodischer gekleidet – wenn auch nicht weniger kostbar und aufwendig. Sein Mantel war mit Marderfell gefüttert. Die Weste, die darunter hervorschimmerte, prunkte mit goldbestickten Borten und vielen Silberknöpfen.
»Anfangs bin ich dem Doktor Luther gram gewesen«, sagte der Alte gerade, »denn
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