Blutiger Frühling
er war’s ja, der uns die Bauern mit seinem Traktat von der Freiheit eines Christenmenschen rebellisch gemacht hat.« Er reichte einem der heraneilenden Stallburschen die Zügel seines mächtigen schwarzen Hengstes und ließ sich dann aus dem Sattel helfen. »Aber jetzt bin ich wieder eines Sinnes mit ihm«, fuhr er fort, als er auf dem Boden stand, »denn er hat den Aufstand für ungerecht erklärt und sich brav für die Obrigkeit ausgesprochen.« Er lachte dröhnend. »Acht und Bann und der Aufenthalt auf des Kurfürsten Friedrich Burg müssen ihn Mores gelehrt haben.«
»Was gilt’s, Herr Wolframstein?«, rief einer der jungen Herren. »Der Luther wird uns wahrscheinlich sogar nach dem Maul reden, wenn’s an das Bauernschlachten geht. Er ist gerissen, der gelehrte Herr, und weiß genau, auf welcher Seite sein Brot gebuttert ist!«
»Kann man’s ihm verdenken?«, warf ein anderer junger Edelmann ein. »Um seine Lehren verbreiten zu können, braucht er die Obrigkeit ja. Die Bauern wären ihm zu nichts nütze.«
»Wäre ich ein Bauer, ich würde sein Verhalten Verrat nennen«, sagte der Mann, der hinter dem alten Wolframsteiner gehalten hatte und eben abgesessen war. »Ich danke meinem Schöpfer jeden Tag dafür, dass er mich in eine adlige Familie hat hineingeboren werden lassen ...«
Die anderen lachten. Sie waren mittlerweile alle aus den Sättelngestiegen. Ihre Reittiere wurden weggeführt, und sie selbst betraten einer nach dem anderen den Pallas. »Ich fürchte mich jedenfalls nicht vor dem zusammengewürfelten Haufen, der sich da vor den Mauern angesammelt hat«, sagte ein weiterer der jungen Herren im Hineingehen. »Wir werden leichtes Spiel mit diesen Tölpeln haben – auch wenn der Verräter mit seiner schwarzen Schar dabei sein sollte!«
Betreten und mit widerstreitenden Gefühlen sah Anna Elisabeth den Herren nach. Die Forderungen der Bauern waren gerechtfertigt, soweit sie sie kannte. Und wenn diese Forderungen von den Herren nicht anerkannt wurden – was blieb den Bauern denn dann noch anderes übrig, als in den Krieg zu ziehen? Und wie konnte dieser Doktor Luther ihren Krieg dann für ungerecht erklären?
Sie war zu müde, um jetzt darüber nachzudenken. Stattdessen ließ sie den Blick wandern. Auf dem Hof waren außer Christophs Ross und ihrem Saumpferd jetzt keine anderen Reittiere mehr. Vorn, neben dem Tor, stand ein funkelnagelneuer Leiterwagen, der hoch mit Pferdemist beladen war. Ein paar Knechte schlenderten müßig vorbei, würdigten Anna Elisabeth kaum eines Blickes.
Wo Christoph nur blieb ... Sie versuchte, in die offene Stalltür hineinzusehen und trotz der drinnen herrschenden tiefen Dämmerung etwas zu erkennen. Aber das war schier unmöglich.
In den oberen Geschossen über den Stallungen schallten Stimmen, wurde hin- und hergerannt. Anna Elisabeth konnte die eiligen Schritte hören ...
Endlich kehrte Christoph zurück. Seine Miene verriet schon von weitem, dass er Albrecht nicht gefunden hatte. »Der Falbe ist nicht unter den anderen Pferden in den Ställen«, informierte er Anna Elisabeth, »und niemand hat Albrecht gesehen. Einer der Knechte, die ich ausgefragt habe, meinte, wir sollteneinfach abwarten. Es werden zur Nacht noch Edle aus der weiteren Umgebung erwartet. Albrecht könnte sich ja denen angeschlossen haben.«
»Vielleicht.« Anna Elisabeth nickte müde. »Diesen Herrn Florian Geyer hat dann wohl auch niemand gesehen?«
Christoph schüttelte den Kopf. »Nein, den auch nicht. Wir können uns nur in Geduld üben.«
»Sorgen wir lieber dafür, dass unsere Tiere Futter und Wasser bekommen und endlich abgesattelt werden«, riet Anna Elisabeth.
»Ich selbst würde mich auch nicht beschweren, wenn ich jetzt einen Napf voll Hafergrütze oder einen Kanten Brot bekäme«, meinte Christoph zustimmend. »Den ganzen Tag haben wir kaum etwas zu uns genommen außer Wasser.«
»Aber wir gehören nicht zum Gesinde dieser Burg«, wandte Anna Elisabeth ein. »Wir können uns nicht einfach –«
»Doch, wir können«, sagte Christoph. »Denn wir gehören zum Gefolge von Albrecht Wolf von Weißenstein und sind unserem Herrn vorausgeritten, um Quartier zu machen. Man wird uns schon versorgen und einen Schlafplatz anweisen. Ich glaube, der Graf Helfenstein ist froh um jeden, der notfalls zur Verteidigung der Weibertreu beitragen kann.«
Anna Elisabeth musste an den jungen Edelmann denken, der so laut verkündet hatte, er fürchte die Bauern nicht. »Wie viel Mann sind es
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