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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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Blick nicht von dem lösen, was sich unten am Fuß der Mauer abspielte. Einige Bauern wälzten sich da in ihrem Blut ... sie waren getroffen ... doch andere drängten nach vorn und nahmen ihre Plätze ein.
    Die ersten Sturmleitern standen, wurden bestiegen ... Schon lugten einzelne struppige Bauernköpfe über die Mauerkrone ... Sechs, sieben Verteidiger stießen die Leitern wieder um und stürzten die Angreifer mit verzweifeltem Schwung in die Tiefe ...
    Viele lagen jetzt bereits reglos und leblos da unten am Boden. Doch immer mehr Bauern rückten nach, immer neue Wellen von Angreifern rollten auf die Mauern zu. So oft sie auch zurückgeschlagen wurden – immer wieder holten sie von neuem aus, stellten von neuem die Leitern an, kletterten wieder und wieder in die Höhe ...
    Einer der massigen Torflügel, gegen die unablässig der Rammbock andonnerte, hing bereits schief in den Angeln. Noch sechs, sieben Stöße, und er würde abfallen. Denn der Balkenriegel, der das Tor von innen sichern sollte, war längst gebrochen.
    »Verflucht«, schrie einer der Stadtsoldaten in Anna Elisabeths Nähe, »seht euch das an!« Er hatte den Arm ausgestreckt und zeigte mit zitterndem Zeigefinger zum jenseitigen Teil der Mauer hinüber. Dort waren elende, in Lumpen gekleidete Jammergestalten auf das Dach eines großen Gebäudes geklettert,hockten jetzt rittlings auf den Mauerzinnen und halfen mit Seilen, Bettlaken und zusammengeknoteten Stricken den Angreifern in die Stadt.
    »Die Krüppel aus dem Siechenhaus kommen den Bauern zu Hilfe!«, brüllte der Stadtsoldat noch einmal, »jemand muss sie daran hindern!«
    Doch sein Warnruf ging im Getümmel unter. Das Tor war offen ... ungehemmt ergoss sich die reißende Flut der Angreifer in die Gassen und Straßen von Weinsberg – alles niederwerfend, was sich ihr entgegenstellte. Die Sensen, zu langen Schwertern umgeschmiedet und scharf geschliffen, mähten heute nicht Korn, sondern Männer nieder. Die Sicheln zerschlitzten lebendes Fleisch, die mit eisernen Zacken besetzten Dreschflegel zerschlugen Knochen. Schreien und Stöhnen der Verwundeten mischte sich mit dem Klirren von Metall auf Metall, schnelle Schritte hasteten die Stufen zum Wehrgang hinauf, einer der Stadtsoldaten sank, von einer Bauernaxt getroffen, lautlos neben Anna Elisabeth nieder.
    Sie riss den Blick von dem entsetzlichen Schauspiel am Tor los und begann zu laufen – weg von der Schießscharte, hinüber zur nächsten Stiege, die abwärts führte. Deren Stufen waren glitschig von eben vergossenem Blut – einer der Reisigen, die hier die Stadtmauer hatten verteidigen sollen, lag da und rührte sich nicht mehr ...
    Anna Elisabeth konnte nicht mehr denken. Ohne hinzusehen überstieg sie den Gefallenen und mischte sich in das Getümmel der stadteinwärts drängenden Bauern. Auf der Stelle war sie umgeben von laut brüllenden, vorwärts hastenden und Verwünschungen ausstoßenden Männern jeden Alters – sie alle wollten hinauf zur Burg, wo die Herren vom Adel sich aufhielten, und konnten es kaum erwarten, sich mit ihnen zu schlagen.
    »Schneller, Brüder«, keuchte ein grauhaariger alter Kerl undschob sich dabei an Anna Elisabeth vorbei, »sie entwischen uns vielleicht, wenn wir ihnen zu viel Zeit lassen, sich zu besinnen...!«
    Anna Elisabeth sah sich um. Sie hatte Christoph aus den Augen verloren. Aber der Junge trug ja schlichte Kleidung und würde den Bauern kaum Anlass bieten, Jagd auf ihn zu machen. Also weiter, den Berg zur Weibertreu hinauf. Dort musste Albrecht sein – da er bei der Mauer nicht gesehen worden war.
    Auch hier hatten die Verteidiger die stürmenden Bauern von den Mauerzinnen mit Armbrüsten und Arkebusen unter Beschuss genommen. Doch ihr Widerstand, so erbittert er gewesen war, hatte die Angreifer keine halbe Stunde aufhalten können. Die Truppe, die nach so kurzer Zeit das Tor erstürmt und den Bauern Zugang zur Weibertreu ermöglicht hatte, gehörte offenbar nicht direkt zum Hellen Haufen und unterschied sich auch durch straffe Disziplin vom Rest des Bauernheers. Sie war gleich nach Öffnung des Burgtores wieder abgezogen und hatte den übrigen Bauern die Einnahme der Burg überlassen.
    Anna Elisabeth gelang es, den Innenhof zu erreichen. Hier waren Männer des Hellen Haufens dabei, die Ritterpferde aus den Stallungen herauszuführen und unter sich zu verteilen. An die zwanzig der mächtigen Streithengste standen schon draußen; so mancher von ihnen hatte seinem neuen Besitzer auch bereits

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