Blutiger Frühling
Seidenweste. »Er ist voraus – nach Heilbronn. Die Stadt ist für die Bauernschaft.«
»Woher weißt du das?«
»Hab’s schon vor Tagen erfahren.« Der mit der Seidenweste grinste.
»Von wem?«, wollte der lange Dürre wissen.
»Vom Jäcklein persönlich. Gleich, nachdem mich die Hofmännin gefeit gemacht hat.«
Der Dürre staunte. »Gefeit? Gegen was?«
»Gegen Musketenkugeln und Armbrustbolzen«, erklärte ihm der mit der Seidenweste. »Kannst auch hingehen und dir den Zauberspruch holen. Aber es kostet natürlich was.«
»Was?«
Der mit der Seidenweste grinste noch einmal. »Von mir hat sie ’ne Nacht verlangt«, sagte er, »aber, im Vertrauen, Hinz ... du wirst ihr Geld oder Ware bieten müssen. Sie hat’s mehr mit den breitschultrigen, kräftigen Männern, die noch nicht so alt sind...«
»Prahlhans«, entrüstete sich der lange Dürre.
Anna Elisabeth hörte der Unterhaltung der beiden nicht weiter zu. Sie ging zu dem Wagen zurück, an den sie ihr Saumpferd angebunden hatte. Der Geyer, der mit irgendeiner schwarzen Schar nach Heilbronn vorausgeritten war – das konnte nur Herr Florian Geyer sein, in dessen Gesellschaft Albrecht Wolf von Weißenstein auf Fahrt gegangen war. Was die beiden Herren mit dem Heer der Bauern zu tun hatten, war ihr zwar nicht klar geworden, aber es war auch nicht wichtig. Wo Florian Geyer war, da hielt sich höchstwahrscheinlich auch Albrecht Weißenstein auf. Und dahin musste sie – koste es, was es wolle.
Sie war aufgesessen und dem langen Zug der Bauernkrieger gefolgt, die bereits auf dem Marsch waren. Ihr Pferd war darangewöhnt, im Pulk mitzulaufen, und brauchte so gut wie gar keine Hilfen von seiner recht ungeübten Reiterin.
Die Männer des Hellen Haufens unterschieden sich inzwischen, was ihr Äußeres betraf, nicht mehr sonderlich von den reisigen Knechten, die die Weibertreu verteidigt hatten. Allenthalben sah Anna Elisabeth seidene Jacken und Westen, geschlitzte Halbhosen, Kuhmaulschuhe. Ein vierschrötiger Kerl, auf dem Schädel ein federbesetztes Barett, das sicher noch vor wenigen Stunden den gepflegten Kopf eines Edelherren geschmückt hatte, stolperte mit geschulterter Hellebarde an ihr vorüber und grinste sie dabei an. Ihm fehlten zwei Schneidezähne ...
Blanke Rapiere, Musketen und andere Feuerwaffen hatten selbst geschmiedete Stich- und Hiebwaffen beinahe vollständig ersetzt. Im Tross wurden die Geschütze mitgeführt, die vorher auf den Mauern von Weinsberg und auf der Weibertreu gestanden hatten.
Der graublaue Wollmantel, den Anna Elisabeth sich aus der Beute genommen hatte, kratzte. Aber er wärmte auch. Sie zog das voluminöse Kleidungsstück enger um sich und ließ die weite Kapuze tief in die Stirn fallen. Schon waren die Tore von Heilbronn erreicht. Die lange, ungeordnet ziehende Kolonne des Hellen Haufens hatte freien Einlass; sie löste sich auf, sobald sie innerhalb der Mauern angekommen war. Die Männer des Bauernheeres verschwanden in Kneipen, Wirtschaften und anderen öffentlichen Häusern.
Anna Elisabeth saß ab und blieb unschlüssig neben ihrem müden Pferd stehen. Was sollte sie jetzt tun? Sie war hungrig, und auch das Tier, das sie den langen Weg so brav getragen hatte, musste mit Futter und Wasser versorgt werden.
Linker Hand war ein breiter Torbogen, der in einen Innenhof führte. Sie nahm das Tier am Zügel und führte es dort hinein. Der Hof gehörte zu einem Gasthof; zwei Fuhrwerke standendort, und die Pferde, die die Wagen gezogen hatten, wurde soeben mit Stroh abgerieben.
Anna Elisabeth sprach den Knecht an, der damit beschäftigt war. »Kannst du mir wohl einen Eimer Wasser für mein Ross besorgen?«
»Kann ich schon«, sagte der Knecht, »will ich aber nicht. Besorg ihn dir selber ...«
Er deutete zu einem gemauerten Brunnen hinüber, der die rechte hintere Ecke des Hofes einnahm. Und er hielt es nicht einmal für nötig, den Kopf zu heben.
Anna Elisabeth, deren Beine sich nach dem langen Ritt schwer wie Blei anfühlten, fand sein Benehmen tadelnswert. »Etwas mehr Höflichkeit hätte ich dir schon zugetraut«, erwiderte sie verärgert. »Gehst du immer so mit Frauen um?«
Jetzt blickte der Knecht auf. Er war noch gut beieiander – hatte sicher die dreißig kaum überschritten – und konnte sich sehen lassen. Funkelnde braune Augen musterten Anna Elisabeth neugierig, und ein Mund mit vollen Lippen lächelte etwas spöttisch. »Mit schönen nicht«, erwiderte er, indem er das Stohbüschel fallen ließ, mit
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