Blutiger Frühling
Probeschüssen.«
»Mag sein«, erwiderte Florian Geyer, »ich trau’s Euch zu, aber dafür ist nicht die Zeit, Vetter. Ich brauche Euch, um die Truppen einzuteilen und mit mir den Sturm zu führen, wenn’s so weit ist.« Er starrte mit plötzlich verschlossenem Gesicht hinaus in die sinkende Nacht. »Gebe Gott, dass wir es schaffen, den Frauenberg mit unseren Leuten einzunehmen und den Bischof zum Verhandeln zu zwingen. Auf die Bauern und ihre Kanonen setze ich so gut wie keine Hoffnung mehr ...«
»Aber es sind alles kräftige, ausdauernde Kerle«, widersprach Albrecht einigermaßen verwundert, »Tausende und Abertausende von ihnen! Wie kommt es, dass Ihr ihnen so wenig zutraut? Sie haben doch bewiesen, dass sie sich schlagen können, und –«
»Der Helle Haufen besteht leider inzwischen aus Großmäulern, Säufern und Räubern«, sagte Florian Geyer mit plötzlich tonloser Stimme. »Er wird angeführt von zwei wahnsinnig gewordenen Gastwirten und einer geilen, feilen Hexe, die ebenfalls nicht mehr recht bei Sinnen ist. Und die Bauern, die wirklich wussten, um was es geht – die haben es inzwischen längst vergessen und geben sich wie die Übrigen dem Plündern, Sengen und Brennen hin. Nein, Vetter«, er sah Albrecht mit ausdrucksloserMiene an, »wir stehen allein da. Und da ich’s erwähne – der Luther hat unsere Sache ebenfalls verraten.« Albrecht erschrak. »Wie das?« fragte er.
»Zuerst durch die Antwort, die er auf unsere Frage gab, ob ein Krieg gegen die Obrigkeit gerechtfertigt sei«, sagte Florian Geyer langsam. »Der hochgelahrte Doktor schrieb uns, in keinem Fall dürfe gegen die Herren Krieg geführt werden, denn Gott selbst habe sie ja über uns gesetzt. Damit bestätigte er das alte Unrecht, gegen das wir zu Felde ziehen. Und zweitens ...«
Er sprach nicht weiter, sondern legte für einen Augenblick die Hand über die Augen, als sei er sehr müde.
Albrecht sah es mit Erstaunen. »Und zweitens«, forderte er Florian Geyer zum Weiterreden auf, »was zweitens?«
»Zweitens hat er einen Traktat losgelassen mit dem Titel: Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern«, sagte der Geyer. »Darin fordert er Fürsten und Kirchenmänner auf, ohne Erbarmen zurückzuschlagen – zu morden, zu schlachten, zu schinden, was sich gegen die Obrigkeit erhebt. Wahrhaftig«, er verzog das Gesicht zu einem steinernen Lächeln, »der würdige Doktor und ehemalige Klosterbruder, jetzt Ehemann einer Nonne – dieser ehrenwerte Mann des Geistes liefert den Fürsten mit seinem höchst wissenschaftlich abgefassten Hetzblatt sozusagen einen göttlichen Freibrief, noch übler zu wüten als bisher. Das nenne ich Reine Lehre!«
»Lieber Himmel.« Mehr brachte Albrecht nicht heraus.
»Das Schlimmste ist aber, dass er Recht hat, was das Verhalten der Bauern betrifft«, sagte Florian Geyer zwischen zusammengebissenen Zähnen. »Sie sind tatsächlich mörderisch und räuberisch – wer könnte das noch bestreiten? Sie gehören allesamt vor Gericht. Besonders der Jäcklein Rohrbach hat der Sache so unendlich geschadet, dass es niemals wieder gutgemacht werden kann.«
Albrecht fröstelte plötzlich. »Vetter«, sagte er, »Ihr hört Euchan, als hättet Ihr überhaupt keine Hoffnung mehr, den Krieg zu gewinnen. Was denkt Ihr wirklich?«
»Ich sagte es ja schon«, gab Florian Geyer zurück, »wir stehen allein da. Was wir brauchen, sind ein paar nützliche Siege ... zum Beispiel hier vor dem Frauenberg. Denn dem Wendel Hipler hört seit dem Gemetzel von Weinsberg niemand mehr zu ...«
Albrecht erinnerte sich wieder daran, dass in Heilbronn Verhandlungen zwischen den Fürsten und den Vertretern der Bauernschaft stattgefunden hatten. »Wie kommt Ihr darauf?«, fragte er erstaunt. »In Heilbronn ist doch –«
»In Heilbronn ist viel geredet worden«, sagte Florian Geyer, »aber nicht über die Zwölf Artikel.« Seine Stimme klang belegt, wie immer, wenn er zornig war. »Die Nachricht von Jäcklein Rohrbachs Schandtat hat vollkommen ausgereicht, um die Verhandlungen zum Stillstand kommen zu lassen. Beinahe jeder der Teilnehmer auf seiten der Herren hatte schließlich einen Verwandten unter den Opfern zu beklagen.«
»In anderen Worten – sie haben den Hohenlohe’schen Kanzler reden lassen und ihm eine Antwort versagt?«
»Schlimmer noch.« Florian Geyer verzog sarkastisch das Gesicht. »Man hat ihm geraten, die Seiten zu wechseln, solange er’s noch kann.«
»Aber er wird’s natürlich nicht
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