Blutiger Frühling
ihm herüber. Nur Augenblicke, und sie stand vor ihm.
Albrecht und Anna Elisabeth sahen sich an. Sekundenlang tauchten ihre Blicke tief ineinander. Albrecht war wie gebannt. Doch Anna warf die Arme um seinen Hals und suchte seine Lippen. »Ich musste zu dir«, wisperte sie an seinem Mund, »es hat mich nicht mehr zu Hause gehalten, Liebster ...«
Er fühlte sich schwindlig. Seine Arme schlossen sich wie aus eigenem Antrieb um ihre schlanke Gestalt und pressten sie fest an sich. Mit all der Sehnsucht, die sich in ihm angestaut hatte, nahm er ihre Lippen in Besitz und küsste sie mit wilder Inbrunst. Anna Elisabeth schmiegte sich in seine Umarmung, lehnte sich an ihn, erwiderte seinen Kuss mit dem gleichen leidenschaftlichen Verlangen. Und beide nahmen die Welt um sie her nicht mehr wahr.
Hannes Rebmann war ein paar Schritte von ihnen entfernt stehen geblieben. Entgeistert starrte er das Paar an, das da eng umschlungen, in einen Kuss versunken, vor ihm stand. Er brauchte mehrere Atemzüge, um seiner Überraschung Herr zu werden. Dann aber zog er mit einer ungeschickten Bewegung sein Rapier aus der Scheide. »Lass die Finger von meinem Mädchen«, schrie er rasend vor Zorn, »oder ich hack dich in Stücke, adliger Hund!«
Anna Elisabeth hatte das Zischen gehört, mit dem die Waffe aus der Scheide gefahren war. Sie ließ Albrecht los und drehtesich erschrocken zu Hannes um. Albrecht legte die Schwerthand auf den Knauf seines Degens. »Dein Mädchen?«, sagte er tief einatmend zu Hannes Rebmann. »Ich denke, der Augenschein spricht dagegen, Bauerntölpel!«
Hannes Rebmann schäumte. Er drang mit der blanken Waffe auf Albrecht ein. »Zieh«, schnaubte er, »oder willst du dich feige davonstehlen, nachdem du meiner Annelies die Ehre genommen hast?«
»Wohl kaum«, sagte Albrecht kalt. »Aber ihre Ehre hat sie noch und wird sie auch behalten, du Tropf von einem lächerlichen –«
Er kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu vollenden. Hannes Rebmann schwang die Waffe. Sein Hieb musste pariert werden. Albrecht blieb nichts, als ebenfalls blank zu ziehen und den ungeschickt geführten Angriff abzuwehren. Hannes’ Rapier flog in den aufgewühlten Dreck des Lagerplatzes.
Er lief hin, bückte sich hastig danach. Und der Wolf von Weißenstein ließ ihm Zeit genug. Doch Anna Elisabeth, die bis jetzt wie erstarrt dabeigestanden hatte, stellte sich mit einem langen Schritt zwischen die Streitenden. »Hannes«, sagte sie laut, »du kannst dir jedes weitere Gefecht schenken, denn Albrecht hat Recht. Ich bin nicht mehr dein Mädchen.«
Auf diese Worte blieb Hannes mitten in der Bewegung stehen. Langsam wanderte sein Blick zu Anna Elisabeth und suchte ihre Augen. »Was sagst du da«, stammelte er mit rauer Stimme, »wie kommst du dazu, so etwas zu behaupten?«
»Es ist wahr«, gab Anna Elisabeth zurück. »Herr Albrecht und ich – wir sind uns einig, dass wir –«
»Ihr seid euch ... was?« Hannes holte tief Luft. »Du bist mein – und schon seit so vielen Jahren. Weißt du nicht mehr, was du deinem Vater auf dem Sterbebett versprochen hast?«
»Nichts habe ich ihm versprochen«, erwiderte Anna Elisabeth ruhig. »Er wollte, dass ich dich nehme, Hannes – aber ichliebe dich nicht, und ich kann nicht die Frau eines Mannes werden, dem mein Herz nicht gehört.«
»Dein Herz – dein Herz ... !« Hannes Rebmanns Gesicht färbte sich langsam tiefrot. »Was hat denn das Herz damit zu tun? Wir haben eine Übereinkunft – und die musst du einhalten. Willst du dein Wort brechen, Annelies?«
»Aber du hast mein Wort ja nicht«, widersprach Anna Elisabeth. »Du hast nur das Wort meines Vaters. Sonst nichts.«
Hannes Rebmanns Blick hing nach wie vor an ihren Augen. »Ich könnte dich zwingen«, sagte er langsam.
Albrecht, der bis jetzt geschwiegen hatte, mischte sich ein. »Wie wolltest du das wohl machen, Rebmann? Vergiss nicht – auch ich habe mitzureden. Denn Anna hat mir ihr Wort gegeben – und ich ihr meins.«
Langsam ließ Hannes Rebmann den Blick von Anna Elisabeth zu Albrecht hinüberwandern. »Raubritter«, kam es hasserfüllt von seinen Lippen, »willst du mir drohen? Eins merke dir: von deinesgleichen lasse ich mir mein Mädchen nicht streitig machen – das wäre, als würde ich Annelies einem Straßenräuber überlassen.« Er riss das Rapier, das er verloren hatte, vom Erdboden hoch und schwang es wild durch die Luft. Die Waffe machte ein scharfes, sausendes Geräusch. »Komm, Heckenreiter – wehr dich! Du wirst mich
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