Blutiger Frühling
dich einfach mit mir fortgeführt. Wenn die Sache entschieden ist, für die wir streiten – dann wird es keine Grenzen, keine trennenden Klüfte mehr zwischen uns geben. Alle Menschen werden gleich sein – nicht nur vor Gott, sondern auch vor aller Welt. Und es wird unwichtig sein, wes Standes einer ist...«
»Glaubst du das wirklich, Albrecht?«
Er nickte. »Ganz sicher. Aber für den Fall, dass doch einer nach deiner Herkunft fragen sollte, habe ich vorgesorgt«, fügte er lächelnd hinzu, während er einen zarten Kuss auf ihre Wange drückte.
Sie hob ihm das Gesicht entgegen. »Was hast du getan?«, wollte sie wissen.
Er lachte leise. »Ein begabter junger Scholar arbeitet gerade an deinem neuen Stammbaum«, antwortete er.
»Was?«
»Ja«, erklärte er ihr. »Der Mann ist auf Weißenstein und zeichnet ihn für uns auf. Wir werden keine Mühe haben, deine edle Abstammung nachzuweisen, falls es wider Erwarten doch notwendig werden sollte.«
»Warum sollte denn jemand –«
Er nahm ihre Hand. »Anna«, sagte er fest, »das Leben wird leichter für dich sein, wenn wir vom gleichen Stand sind. Glaube mir.«
»Ach, Albrecht.« Sie suchte seinen Mund und küsste ihn heftig. »Das alles ist so unwichtig ... für mich zählt nur, dass wir zusammen sind!«
Bei ihrer wilden Berührung durchlief ihn ein Zittern, das tief aus seinem Innern kam. »Für mich auch«, wisperte er, »aber ich will –«»Du willst das Gleiche wie ich«, nahm sie ihm das Wort aus dem Mund. »Du willst mich – und ich will dich. Jetzt gleich ... !«
Das Beben, das ihn erfasst hatte, war so stark, dass er es kaum noch beherrschen konnte. »Was ich sagen wollte, war doch ...«, begann er.
Sie ließ ihn nicht mehr zu Wort kommen. »Ganz gleich, was es war«, unterbrach sie ihn, »diesmal wirst du mich nicht abweisen, Liebster. Ich spüre ja, dass du mich so sehr begehrst, wie ich dich. Du bist mein, hast du Hannes Rebmann gesagt. Und ich will haben, was mir gehört, Albrecht ... jetzt gleich ... ohne Wenn und Aber ...«
Eine Erregung erfasste ihn, gegen die es keine Gegenwehr gab. Ihr Mund war ganz nah, lockte ihn übermächtig. Und was waren das auch für lächerliche Gründe, die ihn bis jetzt davon abgehalten hatten, ihrem Verlangen nachzugeben? Er empfand ja die gleiche heiße Begierde, die aus ihren Worten sprach.
»Ohne Wenn und Aber ...«, wiederholte er flüsternd, während er der Lockung nachgab und ihre Lippen mit seinem Mund berührte. »Dann soll es so sein, Liebste – weil auch ich endlich will, was mir gehört ...«
Sie küssten sich, aber nicht so, wie es bisher geschehen war, sondern in aller glühenden Ehrlichkeit. Unter dem Frühlingsmond, der hoch am Himmel stand, entkleideten sie sich und sahen sich zum ersten Mal unverhüllt, betrachteten einander in anbetender Bewunderung, gaben sich zum ersten Mal neuen Zärtlichkeiten hin, erforschten mit streichelnden Händen ihre Körper und berührten sich inniger als je zuvor.
Anna empfand seine Leidenschaft wie eine Huldigung. Sie gab ihm ohne Scheu, wonach er mit wortlosen Gesten verlangte. Als er an der Schwelle zu ihr zögerte, umarmte sie ihn mit drängender Sehnsucht und flüsterte ihm ins Ohr: »Ohne Wenn und Aber ...«
Albrecht folgte ihrer Forderung mit glühender Heftigkeit. Den Schmerz der Vereinigung nahm sie nicht einmal wahr. Zugroß war ihr Wunsch, ganz ihm zu gehören und ihn ganz zu ihrem Eigen zu machen.
Noch eine Weile, nachdem der Höhepunkt überschritten war und ihre wundersame, köstliche Erregung nachgelassen hatte, lagen sie Herz an Herz unter dem Sternenhimmel und horchten auf ihre langsam ruhiger werdenden Atemzüge. Erst nach und nach fanden sie die Sprache wieder, sagten sich mit zitternden Lippen neu erfundene Liebesworte, lösten sich zögernd aus ihrer Umramung.
»Jetzt ist unser Bund besiegelt«, wisperte Anna Elisabeth, »und es kann nicht Sünde sein, was wir getan haben – dazu war es zu ernst...«
»O ja, meine wilde Rose«, antwortete Albrecht im Flüsterton, »viel zu ernst. Aber wir waren ja schon zutiefst verbunden, bevor wir –«
»Still«, hauchte Anna Elisabeth und legte ihm den Finger auf die Lippen. »Hörst du ... die Nachtigall ...«
»Sie verkündet unsere Hochzeit«, gab Albrecht zurück. »Sie soll es allen sagen, dass wir für immer zusammengehören!«
Anna Elisabeth schmiegte sich noch einmal an ihn. Doch die Kühle der Nacht wurde ihnen beiden wieder bewusst. Widerstrebend kleideten sie sich an; Albrecht
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