Blutiger Frühling
eines der jüngeren Tiere erlegt und war dabei, seinen blutigen Spieß in der jungen Wintersaat abzuwischen. Der Götz hatte sich ebenfalls einen Frischling ausgesucht und abgestochen. Währender jetzt den sterbenden Keiler beobachtete, zeigte sich ein wenig Neid in seinem Blick. »Mutig, mutig, Herr Vetter«, spöttelte er. »Aber ob uns der Braten schmecken wird?«
Die übrigen Jagdgenossen lachten. Albrecht würdigte sie keiner Antwort. Er hielt den Blick auf den alten Kämpen gerichtet, der vor seinen Augen sein Leben verröchelte, und schämte sich plötzlich dafür, dass er nicht noch genauer getroffen hatte. Mit einem schnellen Schritt war er an der Seite des Keilers, zog den Dolch und beendete durch einen sicheren Stich in den Nacken das Leiden des Tieres.
Um die Mittagszeit, als die Jagd abgeblasen wurde, bestand die Strecke aus vier Stück Schwarzwild, sechs Feldhasen und fünf Rehen, die bis zum Schuss mit der Armbrust gehetzt worden waren – eine reiche Beute, geeignet für ein üppiges Festessen.
In bester Laune zog die Jagdgesellschaft heimwärts auf die Burg. Doch Albrecht warf beim Wegreiten einen langen Blick auf die verwüstete Wintersaat der Felder, über die Jäger und Hundemeute gestürmt waren. Wie würden sich die Bauern, deren harte Arbeit umsonst gewesen war, wohl bei diesem Anblick fühlen? Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass Florian Geyer sich an der Hetze nicht beteiligt und auch keine Beute gemacht hatte. Ein sonderbarer Kauz. Was mochte ihn dazu bewogen haben, die Einladung zur Jagd anzunehmen, wenn ihm nichts an dieser Herrenkurzweil lag? Warum suchte er die Gesellschaft von Standesgenossen, wenn er sich insgeheim mit den Bauern gleichsetzte?
Albrecht sprach ihn darauf an, als sie gegen Abend zu Tisch saßen.
»Ihr habt mich nicht recht verstanden, Lieber«, erwiderte der Geyer gelassen, »ich setze mich nicht mit ihnen gleich – denn ich bin’s ja nicht. Aber Kampfgefährten werden wir sein müssen,die Bauern und ich. Daran führt kein Weg vorbei, wenn wir siegen wollen.«
Der Braten wurde aufgetragen. Angesichts der mit Appetit erwarteten Speise ruhte das Gespräch erst einmal, und die Jagdgäste waren für kurze Zeit vollauf mit Essen beschäftigt. Doch Albrechts Gedanken wanderten. Schon längst war er nicht mehr bei dem, was Florian Geyer gesagt hatte. Er musste etwas tun gegen den Schmerz, der seit der Michaeli-Kirmes sein Herz bedrückte. Anna Elisabeth war tödlich beleidigt worden – nicht nur vom Junker Hinzheim. Wenigstens eine Entschuldigung musste ihr zuteil werden, und sie sollte sie bekommen, gleich an Martini, wenn das Bauernjahr zu Ende ging und die Winterruhe begann.
Für den Rest des Abends, während die Gaukler ihre Kunststückchen zum Besten gaben und alle ihren Spaß hatten, feilte Albrecht an seinem Plan. Später, als es auf Weißenstein still geworden war und seine Gäste bier- und weinselig auf den für sie ausgelegten Polstern schnarchten, wusste er endlich, wie er es anstellen wollte.
S CHLACHTTAG
A m Vormittag, als der Vater und Hannes die beiden Jungschweine aus dem Koben hervorgezogen und abgestochen hatten, war Anna Elisabeth im Wald gewesen und hatte Reisig fürs Feuer gesucht. Noch immer war es ihr schier unmöglich, zuzusehen, wie Tiere, die sie beinahe ein ganzes Jahr lang gefüttert und gepflegt hatte, vom Leben zum Tode gebracht wurden. Doch jetzt, wo das Töten besorgt war, gab es keine Entschuldigung mehr für sie, sich abseits zu halten. Sie musste mit anpacken.
Im Augenblick war Hannes dabei, die Innereien aufzuteilen: Herz, Leber und Lungen lagen bereit, in dem großen Kessel gebrüht zu werden. Michel hatte schon die Därme gewaschen und schnitt jetzt die angefallenen kleinen Fleischstücke zurecht, die für die verschiedenen Würste noch weiter zerkleinert werden mussten. Die beiden Schweinsköpfe waren ebenfalls bereits zerlegt und in den Kessel gewandert; mit Rücksicht auf Anna Elisabeth hatte der Hannes das Entfleischen allein besorgt.
Anna Elisabeth hasste Schlachttage. Nicht dass sie das Übermaß an Arbeit gescheut hätte, die sie an solchen Tagen zu leisten hatte – o nein. Aber die Tatsache, dass der Tod der Schweine unvermeidlich war, wenn die Familie überleben sollte, stimmte sie traurig.
Gerade jetzt sah sie der Vater kopfschüttelnd an. Hannes lächelte, aber nicht verständnisvoll, sondern eher belustigt. Keinerder beiden würde je begreifen, warum sie so bedrückt war. »Speck ist schon geschnitten«, sagte
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