Blutiger Frühling
Ihr jeden Fürsten, der sich bei Euch ansagt, beherbergen und verköstigen müsst, auch wenn Eure Kammern und Keller leer sind? Veranstaltet Ihr diese Jagd nicht nur, weil es Euer Stand so verlangt – und wäre es Euch nicht nützlicher, die Wintersaaten Eurer Bauern zu schonen, anstatt sie mit Hunden und Pferden zu verwüsten?«
Albrecht ließ seinen Blick über das freie Feld wandern, an dessen Rain sie entlangritten, und konnte nicht anders als zustimmen. Er nickte, doch bevor er etwas erwidern konnte, fuhr Florian Geyer fort. »Seit Menschengedenken geht das so«, sagte er, »dass die Fürsten uns befehlen, wie wir unser Leben zu führen haben. Ländereien, Wälder, Dörfer – alles, was uns einst gehörte und uns Nahrung bot, musste hingegeben werden für Waffen, prächtige Kleidung, hoffähige Lebensart. Wir hatten teure Feldzüge zu bezahlen – Kriege, die uns nichts angingen, verschlangen unser Hab und Gut. Nun ist den meisten derfreien Ritter nichts geblieben als ihr Haus und ihr guter Name. Und davon kann niemand leben ... Ihr etwa?«
»Ich hätte mir den Unterhalt auf Turnieren verdienen können«, murmelte Albrecht. »Ein Hofamt anzunehmen – auch dieser Weg würde mir offen stehen, wenn ich mich nur genug darum bemühte.«
»Und warum tut Ihr’s nicht?«, fragte Florian Geyer. Albrecht schwieg.
»Ich will’s Euch sagen«, antwortete Geyer für ihn. »Ihr sehnt Euch nach Freiheit – nicht anders als der Bauer. Ihr wollt Euch nicht in ein Leben zwingen lassen, das Euch zuwidergeht. Und darum ...«
Die Hifthörner gellten. Der Zug der Reiter verhielt, und die Hundeführer ließen die Bracken von den Leinen. Mit wildem Gekläff stürzten sich die Hunde in das Dickicht am Waldrand. Augenblicke später brach, aufgestört von den Treibern, eine Rotte Wildschweine aus dem Gebüsch. Die Tiere suchten zuerst ihr Heil in der Flucht. In wildem Galopp stürmten sie über das Feld; Albrecht zählte siebzehn von ihnen, darunter mehrere große Bachen und einen riesigen Keiler mit einem wahrhaft beeindruckenden Gebrech.
Die leichten Jagdhunde verfolgten das flüchtende Schwarzwild, umkreisten die Rotte, griffen mutwillig an. Jetzt endlich stellten sich die Wildschweine zum Kampf. Christoph schickte seine starken Rüden auf den Keiler, der sich schäumend zur Wehr setzte.
Albrecht saß ab, warf die Zügel seines Pferdes dem Knecht zu, der seine Jagdwaffen getragen hatte, und nahm seine Saufeder von ihm entgegen. Florian Geyer, der ebenfalls abgesessen war, lächelte dünn. »Wenn Ihr Eure schönen Hunde nicht verlieren wollt, müsst Ihr Euch beeilen«, sagte er. »Mir scheint, der Alte da vorn, der hat schon so manchen Strauß gewonnen.«
Albrecht packte den Spieß, dessen Schaft dicht mit Lederriemenumwickelt war. »Wir werden sehen«, gab er zurück, »wer diesmal gewinnt.« Der Keiler trug wirklich die Narben vieler Kämpfe auf seiner borstigen Schwarte. Doch all diese Spuren waren ihm mit Sicherheit von Kämpfern seiner eigenen Art zugefügt worden. Heute musste er sich einem stellen, gegen den seine Chancen auf den Sieg weitaus schlechter standen.
Die großen Hunde hatten ihn eingekreist und hinderten ihn daran, seitwärts auszubrechen. Albrecht näherte sich vorsichtig, die Saufeder stoßbereit. Er wusste: wenn er den Keiler nicht gleich beim ersten Treffen tödlich verwundete, würde der Alte, wie Geyer das Tier genannt hatte, beim Gegenangriff seine ganze geballte Kraft darauf verwenden, sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.
Aber das tat er ohnehin. Schon flog, von einem mächtigen Schädelschwung des Keilers beiseite geschleudert, einer der großen Rüden aufheulend durch die Luft. Ein zweiter humpelte auf drei Beinen vom Schlachtfeld und brachte sich in Sicherheit. Nur Tyras und weitere drei Saupacker bedrängten den alten Kämpfer jetzt noch, suchten ihn auf dem Platz zu halten und seine Aufmerksamkeit an sich zu fesseln.
Albrecht hob die Saufeder und zielte. Zwei, drei Schritte näher – dann warf er den Spieß. Die lange Klinge fuhr durch das dicke Fell, glitt tief in die linke Schulter des Keilers. Der Schaft der Jagdwaffe zitterte, während der Keiler den Kopf hochwarf und einen wilden Schrei ausstieß. Der Schaum an seinem Maul begann sich blutig zu färben ... seine Lunge war getroffen, vielleicht aber auch sein Herz. Denn das Tier knickte in den Hinterbeinem ein, brach zusammen, legte sich langsam auf die Seite ...
»Brav getroffen«, rief der Hinzheimer herüber. Er hatte
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