Blutiger Frühling
öffnete sich das Fensterchen in der Schlupftür, und ein grauer Kopf lugte heraus. »Wer da?«, polterte der alte Pförtner.
»Eine Abordnung mit Getreide«, sagte Hannes Rebmann, indem er einen deutlich demütigen Ton in seine Stimme legte. »Wir wollen die Abgabe leisten. Öffnet das Tor.«
»Hmmm ... !« Der Pförtner räusperte sich und spuckte im hohen Bogen aus dem Fensterchen in den Schnee. Dann zog er den Kopf ein und klappte das Fensterchen erst einmal wieder zu. Die Männer hörten ihn rumoren; ein Schlüssel klirrte und drehte sich quietschend im Schloss der Schlupftür. Dann war der Weg in den Hof frei.
Hannes verbeugte sich vor dem Pförtner. Doch in der gleichen Bewegung mähte er den alten Mann mit einem gut gezielten Faustschlag nieder. »Hinein jetzt«, zischte er dem Schmiedejörg zu, »schnell – ehe wir gesehen werden!«
Der Jörg nickte und winkte auch dem Schweineheinz, mitden restlichen Leuten nachzukommen. In einer Reihe schlängelten sich alle hintereinander durch das Pförtchen in den Hof der Vogtei. Erst als alle drinnen waren, wurden sie von den Wachen bemerkt. Zwei Klosterknechte tauchten aus der Wachstube auf und näherten sich langsam.
»Was wollt ihr?«, schnauzte der Ältere der beiden Hannes Rebmann an, »Und wer hat euch überhaupt hier hereingelassen?«
Hannes würdigte ihn keiner Antwort auf diese Frage. »Wir fordern Schadenersatz für die Unbill, die wir in letzter Zeit von Euch zu erdulden hatten«, erwiderte er gleichmütig. »Außerdem werdet Ihr auf der Stelle die Gefangenen freilassen, die jetzt noch hier im Loch sitzen. Wo nicht –«
»So tut ihr was?«, unterbrach ihn der jüngere Klosterknecht mit einem schiefen Grinsen.
»Unverschämtes Bauernpack«, ereiferte sich der ältere Wachposten, »woher nehmt ihr die Frechheit, hier einzudringen und solche Forderungen zu stellen? Sogleich sollt ihr erfahren, was wir mit Tölpeln wie euch –«
Weiter kam er nicht. Der Schmiedejörg hatte ausgeholt und ihn mit einem Schlag seiner selbst gefertigten eisernen Keule niedergestreckt. Ohne einen Laut sank der Vogtsknecht zu Boden. Blut begann von seiner Schläfe in den Schnee zu sickern.
»Ja ... da soll doch ...« Dem jüngeren Knecht versiegten die Worte. Er riss den Mund auf. Mehrere Atemzüge lang stand er wie gelähmt, denn ihm war es offenbar noch niemals vorgekommen, dass ein Bauer gegen einen Klosterknecht gewalttätig geworden war. Doch dann holte er tief Luft. »Zu Hilfe«, schrie er aus Leibeskräften, »Mord ... !«
Doch auch er bekam nicht viel Zeit, seine Kameraden zu den Waffen zu rufen. Der Schweineheinz brachte ihn mit einem wütenden Faustschlag an den Kiefer zum Schweigen. Lautstöhnend stürzte der Klosterknecht in die Knie, fiel aufs Gesicht, wälzte sich blutend im Schnee.
Aus dem zunächst gelegenen Gebäude kamen weitere Knechte gerannt. Es mochten sieben oder acht sein; die meisten von ihnen hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, einen Mantel überzuwerfen. Als sie der Bauern ansichtig wurden, versuchten sie wieder in das Gebäude zurückzulaufen. »Die sind bewaffnet«, schrie einer von ihnen, »zwei von uns haben sie tatsächlich schon erledigt...!«
Hannes Rebmann schnitt den Knechten den Weg ab. Seine Waffe, eine gerade gebogene und zu einem langen, messerscharfen Spieß umgeschmiedete Sense, zischte durch die Luft und fuhr dem an der Spitze rennenden jungen Vogtsknecht ins Bein. Blut spritzte im Bogen durch die Luft, benetzte andere Knechte, hinterließ leuchtende Flecke auf dem Weiß des Schnees.
Ein Geschrei wehte plötzlich in der Luft – schrille, hohe Töne, wie Raubvögel sie ausstoßen. Aus dem Hauptportal der Vogtei quollen mehr Knechte, und diese waren bewaffnet. Ihre Rapiere klirrten, trafen auf grobe, breite Klingen, wurden abgewehrt, flogen zerbrochen beiseite ...
In die schrillen Kampfrufe mischte sich wüstes Gebrüll. Die Bauern mähten erbarmungslos, wüteten unter den Klosterknechten, die auf einen solchen Überfall nicht gefasst gewesen waren. Schon lagen einige von ihnen bewegungslos im Hof. Dunkel glänzende Pfützen bildeten sich um die Gefallenen; andere, die nur verwundet waren, versuchten in aller Hast beiseitezukriechen. Doch es nützte ihnen nichts – der Schweineheinz war derjenige, der sich ihrer annahm und sie stumm machte.
Hannes Rebmanns Klinge triefte von Blut. Er hatte gerade die vier Wachmänner in die Flucht geschlagen, die als Letzte den Bauern das Eindringen in die Vogtei verwehren wollten,
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