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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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antwortest«, zürnte er und heftete den Blick wütend auf den Alten. »Und jetzt denk nach! Ich will den Namen dieses Mannes!«
    »Aber Herr ...« Der Klosterknecht schlotterte erneut. »Ich ... ich weiß ihn wirklich nicht ... !«
    Der Schmiedejörg hatte inzwischen den letzten Verschlag aufgebrochen. Vier Männer wankten daraus hervor, ebenso ausgehungert und elend, aber noch nicht ganz so abgemagert wie die anderen, und fielen ihren Befreiern um den Hals. »Gottlob, liebe Vettern – lange hätten wir’s nicht mehr ausgehalten!«
    Der auf dem fauligen Stroh liegende Unbekannte stieß ein lang gezogenes Stöhnen aus. Dann kamen verständliche Worte aus seinem von Barthaaren beinahe völlig bedeckten Mund: »Man hält’s viel länger aus ... als man denkt ... Brüder ...«, sagte er, »ich bin hier ... so lange ... dass ich nicht mehr weiß ... wie viele Jahre ...«
    Er stieß ein hässliches, keuchendes, tonloses Lachen aus. Hannes Rebmann erschauerte. »Fürchte nichts«, sagte er, »deine Leiden sind jetzt zu Ende. Du bist frei, Bruder!«
    »Bruder ...?« Die Elendsgestalt krümmte sich auf dem Stroh und lachte noch einmal. »Ich ... habe keinen Bruder ... nur einen Freund.«
    »Und wer ist das?«, fragte Hannes mit leisen Grauen.
    »Der Tod«, wisperte der Mann. »Er ist mit euch gekommen ...« Ein Ruck ging durch seinen skelettdürren Körper. Er richtete sich mühsam auf. »Seht ihr ihn nicht?«, sagte er und deutete mit schmutzverkrustetem Finger in die Schatten unter den Kreuzrippen. »Da steht er. Ich komme ... ich bin bereit ... wie lange schon ... !«
    Hannes war der Geste des Gefangenen mit Blicken gefolgt, aber in der Ecke stand niemand. »Du irrst dich«, widersprach er dem Mann, »fasse Mut – wir sind gekommen, um dich zu befreien!«
    Der Gefangene hob seinen Oberkörper noch höher aus dem Stroh. Er breitete die dürren Arme aus; ein Glühen brach ausseinen von wirren Haaren beinahe ganz verhüllten Augen. »Komm«, flüsterte er heiser, »o komm! Ich habe mich so nach dir ... gesehnt! Nun nimm mich mit dir ... !«
    »Das wollen wir ja«, sprach Hannes Rebmann ihn noch einmal an, doch die Worte des Gefangenen waren nicht an ihn gerichtet gewesen. Mit einem Seufzer streckte der den Kopf hoch und reckte sich noch einmal, so hoch er konnte, von seinem ekelerregenden Lager auf. Dann sank er zurück. Ein letzter, heftiger Atemzug, und er lag still. Das Leben hatte ihn verlassen.
    Hannes Rebmann schauderte.
    »Armer Kerl«, sagte der Schmiedejörg, »für den sind wir zu spät gekommen.«
    Die anderen nickten stumm. »Er soll wenigstens ein christliches Begräbnis haben«, meinte einer von ihnen. »Wir tragen ihn nach oben ...«
    Der alte Klosterknecht zitterte inzwischen nicht nur vor Angst, sondern auch vor Kälte. Seine nassen Beinkleider brachten ihn zum Frieren. Mit klappenden Zähnen stand er an die kalte Wand gepresst und brachte keinen Ton mehr heraus.
    »Sobald wir oben sind, gibst du den Gefangenen warme Kleidung«, befahl ihm Hannes Rebmann, »und danach führst du uns zu den Vorratskellern. Los jetzt!«
    Der Alte arbeitete sich mit zitternden Knien die steile Treppe wieder hinauf, gefolgt von den Gefangenen und ihren Befreiern. In der Wachstube drängten sich die frierenden Jammergestalten erst einmal um das Feuer, das im Kamin loderte, während der Alte aus dem Nebengemach einige Jacken und Mäntel herbeischleppte. Offenbar gehörten die den geflohenen Wachen; sie reichten nicht aus, um alle Gefangenen zu bekleiden.
    »Schaff mehr herbei«, befahl Hannes Rebmann.
    »Aber ...«, begann der Alte weinerlich.
    »Schaff mehr herbei«, wiederholte Hannes unerbittlich. »Oder besser – führe uns zu den Kleidertruhen!«
    »Aber das ... das ist mir nicht erlaubt ...«, jammerte der Alte.
    »Wir erlauben es dir«, sagte der Schweineheinz grinsend. »Geh voraus – erst zu den Kleidern, dann zu den Vorräten!«
    Dem Klosterknecht blieb keine Wahl. Die Kleidertruhen standen in der Waffenkammer, die auch Spieße, Schwerter, Rapiere, Hellebarden und einige Hakenbüchsen beherbergte.
    »Nehmt, was wir brauchen können«, befahl Hannes Rebmann.
    Der Schmiedejörg und fünf von ihm ausgesuchte junge Männer fingen an, die besten Waffen von ihren Haken abzunehmen und hinaus in den Hof zu schaffen, während der Schweineheinz mit zwei anderen Männern die Deckel der Kleidertruhen sprengte und alles herausnahm, was wärmte und schützte. Mäntel und Jacken, die nicht sofort gebraucht wurden, ließ der

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