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Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Klee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Faro
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wirbeln und Befehle rufen konnte. Aber innerlich, tief drinnen,
da fühlte er sich wie versulzt, als ob er langsam erstarren würde. Alles tat ihm
weh, und es wurde immer schlimmer. Er musste es dem Raffi erklären, bevor er völlig
erstarrt war.
    »Lupus«,
sagte Edi. Er hielt seine nackten Unterarme ins gelbe Licht der Lampe, die zwischen
ihnen stand. Schuppig rot entzündete Flecken bedeckten die Haut auf den Innenseiten,
die Armgelenke sahen aus wie geschwollen. »Jahrelang bin ich von einem Doktor zum
anderen gelaufen. Das heißt, am Anfang hab ich die Flecken natürlich nicht ernst
genommen und mir gedacht, dass das irgend so eine Allergie sein wird. Von den Gewürzen,
du kennst mich ja. Chili und Pfeffer auf alles. Aber dann ist es immer schlimmer
geworden. Und die Flecken im Gesicht sind gekommen. Alle haben Schnapsnase zu mir
gesagt. Das ist natürlich nicht lustig für einen Koch, für einen Chefkoch. Wenn
die Leut’ immer glauben, dass du den besten Wein selber aussaufst.«
    »Tut mir
leid«, sagte Raffi. »Ey, Edi, wirklich.«
    »Schon gut,
du hast es ja nicht wissen können. Na ja, und dann bin ich zu den Ärzten gelaufen.
Zu den ganzen Kurpfuschern. Du glaubst ja nicht, was du da alles erlebst. Cremes
und Wasserl und lauter so Zeugs haben’s mir zum Schmieren gegeben, Pulver hab ich
schlucken müssen. Aber es ist immer ärger geworden. Dann sind auch noch die Schmerzen
dazu gekommen, die Gelenke haben mir so weh getan, dass ich kaum mehr einen Löffel
hab halten können.«
    Er schwieg
und krempelte sich langsam wieder die Ärmel herunter. Das erzählte sich alles so
flugs und leicht, in ein paar Sätzen. Aber wie das wirklich gewesen war … Die wechselnden
Arbeitsplätze, die Küchen, wo es zuging wie beim Militär, so streng war die Hackordnung,
und jeder lauerte auf seine Chance. Und nie hatte er jemanden gehabt zum Reden.
Nur Beziehungen, die nichts taugten. Frauen, die sich vor seiner Haut ekelten. Iiiii,
Edi, das schaut ja aus wie die Krätze!
    »Und jetzt?«,
fragte Raffi. Er saß auf dem niederen Hocker aus Säcken, sein Gesicht war ganz im
Dunkeln, nur seine aufgebogenen Stiefelspitzen mit den silbernen Beschlägen schimmerten
im Licht.
    »Vor zwei
Jahren bin ich dann endlich zu einem Doktor gekommen, in der Schweiz. Der hat mich
gleich so angeschaut, als ob er was wüsste. Aber ich hab schon überhaupt keine Hoffnung
mehr gehabt, dass mir einer helfen kann. Dann hat er mir Blut abgenommen. Und dann
hat er mir’s gesagt. Dass ich eine Hautkrankheit hab, die Lupus heißt. Das heißt
so viel wie Wolf, ehrlich.« Der Edi lachte, es klang nicht wirklich lustig. »Und
dass die vererbt wird. Meistens bekommen’s die Frauen, aber manchmal auch Männer.«
    Wellen schlugen
immer heftiger gegen das Bootshaus. Raffi leerte Schnaps in die Gläser, sie nahmen
beide einen Schluck.
    »Seither
bin ich ein richtiger Experte geworden. Mit dem Internet geht das ja heutzutage.
Lupus gibt’s auf ganz verschiedene Arten. Heutzutage musst halt Medikamente nehmen,
ich schluck so ein Cortisonzeugs. Aber früher sind die Leut’ elendiglich krepiert
daran. Da gibt’s Bilder, sag ich dir, da träumst davon in der Nacht. Manchen hat
es richtig die Nase und das Gesicht weggefressen. Wie der Tante Gisela.«
    Es war ausgesprochen.
Das Band war endlich fest geknüpft, das all die Jahre wie eine lose Leine zwischen
ihnen gezuckt und geschlackert hatte. Wellen schlugen gegen die Holzwände vom Bootshaus,
aber in ihren Ohren klangen sie wie das Getuschel und Gezischel, das sie all die
Jahre begleitet hatte. Vor dem sie sich am liebsten die Ohren zugehalten hätten.
Na, Edi, was macht der Vater? Und dann immer dieses Grinsen in den Gesichtern. In
die man nicht einmal beim Kirtag schlagen konnte, weil man so tun musste, als ob
man nichts wissen würde. Die Mutter in der Kirchbank, wenn der Herr Baron mit seiner
Frau vorüberging. Und der Raffi hinterdrein, mit gesenktem Kopf.
    »Edi«, sagte
Raffael Gleinegg, seine Stimme klang so heiser, als ob er Glasscherben geschluckt
hätte.
    Edi saß
da und schüttelte den Kopf. So viel war heute Abend gesagt worden. Aber noch nicht
alles. Der Holzfäller-Gusti hatte ihnen gezeigt, wie man einen Löffel schnitzte
und wie man Feuer machte. Und wie man es wieder austrat und auslöschte, dass ja
kein Funken mehr fliegen und den Wald anzünden konnten. Was du angefangen hast,
das musst auch zu Ende bringen, hatte der Holzfäller-Gusti gesagt, und sie hatten
ernsthaft dazu genickt, zwei

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