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Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Klee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Faro
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Buben im Wald am Leonsberg oben. Eine Sache musste
zu Ende gebracht werden. Manche Sachen mussten gesagt werden.
    »Willst
die ganze Geschichte hören?«, fragte Edi.
    »Ich kann’s
mir denken«, sagte der andere.
    »Ich bin
an dem Tag zur Kapelle raufgegangen. Heiß war’s. In der Woche vorher bin ich wieder
beim Doktor gewesen, drüben in Bad Reichenhall. Dort sitzt einer, der versteht was
vom Lupus. Der hat mir gesagt, dass ich einen schweren Schub hab und in Zukunft
wahrscheinlich so Mittel werd schlucken müssen, die auch gegen Krebs sind. Ich wollt
einfach allein sein und nachdenken. Und wie ich dort gesessen bin, hab ich ihn auf
einmal kommen sehen. Ganz langsam, als ob ihn die Schuh drücken würden. Ich wollt
schon aufstehen und weggehen, aber dann bin ich sitzen geblieben. Dann hat er sich
neben mich auf die Bank gesetzt. ›Ah, du bist das‹, hat er gesagt. ›Ja, ich bin’s‹,
hab ich gesagt. Dann hat er ganz langsam und umständlich einen Apfel und ein Messer
aus der Jacke geholt und den Apfel zu schälen begonnen. In einem einzigen Stück
rundherum, ganz konzentriert, als ob ich nicht da gewesen wär. ›Weißt du überhaupt,
wer ich bin‹, hab ich irgendwann gesagt, das ›Du‹ ist mir auf einmal ganz leicht
über die Lippen gekommen. ›Das weiß ich wohl, brauchst keine Sorge haben‹, hat er
gesagt. ›Und‹, hab ich gesagt‹, ›hast mir gar nichts zum sagen?‹ Da hat er sich
zu mir gedreht und mich zum ersten Mal angeschaut. ›Was willst denn hören‹, hat
er gesagt. ›Ich hab deiner Mutter Geld geben wollen für die Engelmacherin, aber
sie hat es nicht genommen. Mehr hab ich nicht tun können. Man hat sich damals auch
gar nicht sicher sein können wegen so einem Kind. Heute gibt’s ja diese ganzen Tests.
Aber früher hast ja gar nicht gewusst, ob das Kind wirklich von dir ist.‹ Dann hat
er angefangen, den Apfel zu essen, in lauter so kleinen Schnitzen, die er abgeschnitten
hat. Mir hat er kein Stück angeboten.«
    »Edi, hör
auf«, sagte Raffi.
    »Dann ist
mir auf einmal so heiß geworden, ich hab kaum mehr Luft bekommen. ›Oh doch‹, hab
ich gesagt. ›Du kannst dir sicher sein wegen mir. Du hast mir nämlich etwas vererbt.‹
Und ich hab ihm meine Arme unter die Nase gehalten. ›Da schau her‹, hab ich gesagt.
›Das ist Lupus, so heißt die Krankheit, die bei euch in der Familie ist. Die deine
Schwester gehabt hat. Und die anderen. Die hast mir vermacht. Danke schön, Vater.‹«
    Er hielt
sein Glas in die Höhe, Raffi goss ihm nach. Es klirrte, so sehr zitterten ihre Hände.
    »›Und jetzt
werd ich wahrscheinlich nicht einmal mehr weiterarbeiten können‹, hab ich gesagt.
›Weil’s immer schlimmer wird. Vielen Dank auch.‹ Er ist nur dagesessen und hat diesen
idiotischen Apfel gegessen. Dann hat er mich wieder angeschaut. ›Wennst magst, kannst
zu mir kommen‹, hat er gesagt. Ich hab ihn nur angestarrt, weil ich das nicht verstanden
hab. ›Na ja‹, hat er gesagt. ›Der Jakob kann nicht mehr so wie früher, und du bist
doch Koch. Also, wennst magst, dann kannst bei mir anfangen, morgen schon.‹ – ›Du
willst, dass ich statt dem Jakob für dich koch und putz und in dem Kammerl neben
der Küche schlaf‹, hab ich gefragt. ›Als dein Diener?‹ – ›Greif zu oder lass es
bleiben‹, hat er gesagt.«
    Sie hatten
beide die Gläser auf den Boden vom Bootshaus gestellt. Raffi saß da und hatte die
Hände ineinander verflochten, die Knöchel waren weiß und spitz. Edi redete, als
ob er allein wäre auf der Welt.
    »Dann hab
ich nach dem Messer gegriffen. Ich hab immerzu das Wort ›Engelmacherin‹ im Kopf
gehört und dass er der Mutter Geld geben hat wollen dafür, dass sie mich wegmachen
lasst. Und die Mutter hab ich gesehen, wenn sie sich den Arm vors Gesicht gehalten
hat, weil er sie wieder einmal geschlagen hat, der, zu dem ich hab Vater sagen müssen.
Dann hab ich zugestochen. Einmal nur, aber so tief und fest, als ob ich ihn hätte
ans Kreuz nageln wollen. Weißt du, was ich seither immer denken muss? Dass es das
einzige Mal war, dass ich meinen leiblichen Vater berührt hab. Wie ich die Hand
nach ihm ausgestreckt und zugestochen hab. Es ist gleich ganz viel Blut gekommen.
Er ist nur dagesessen und hat sich die Hände vor den Bauch gehalten. Ich bin aufgestanden
und bin davongegangen, einfach so runter durch den Wald. Ich bin nicht einmal gerannt.
Irgendwo hab ich das Messer an einem Grasbüschel abgewischt und eingesteckt. In
der Küche hab ich’s dann in

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