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Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Klee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Faro
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gezeigt hatte. Sie bogen um die Ecke und stießen auf den Nebeneingang
zur Galerie, der offenbar für das Personal der Cateringunternehmen bestimmt war,
die für die Vernissagenbuffets zuständig waren, für die Lachsbrötchen und den Champagner.
Und für die Arbeiter, die mit weißen Handschuhen die Skulpturen und Gemälde schleppten,
so behutsam wie Spenderherzen. Pestallozzi hatte einmal einen Bericht über Speditionen
gesehen, die auf Kunsttransporte spezialisiert waren, und war schon vom bloßen Zuschauen
nervös geworden.
    Neben der
Klingel für die Galerie glänzte nur ein einziger weiterer vergoldeter Knopf neben
der Sprechanlage, ›Top 1‹ stand darüber. Leo sah ihn fragend an, und Pestallozzi
nickte, Leo drückte auf den Goldknopf. Eine Minute verging, Leo bemühte sich angestrengt,
nicht zu wippen oder zu zappeln, Pestallozzi war so cool wie immer. Hundertprozentig
wurden sie gerade von einer Kamera gescannt, aber er hob nicht den Kopf. Dann ertönte
ein Summen, und die Tür öffnete sich. Sie betraten einen Vorraum mit weißen Bodenfliesen,
der einzige Schmuck war eine klobige Glasvase, die Leo bis zum Nabel reichte, gefüllt
mit Ästen. Links ging es durch eine weitere Tür zur Galerie, gegenüber befand sich
ein Aufzug, dessen Tür offen stand. Leo sah sich nach Pestallozzi um, der nickte
wieder, sie betraten den Aufzug, und Leo drückte auf den einzig möglichen Knopf.
Die Tür schloss sich, und sie schwebten nach oben. Leo grinste und rollte mit den
Augen, Pestallozzi schüttelte den Kopf. Dieser Leo, offenbar hatte er sich wieder
einmal einen alten James Bond im Nachtprogramm reingezogen, dann verwechselte er
tags darauf immer Salzburg mit Monte Carlo. Aber es blieb keine Zeit mehr für mahnende
Worte, der Aufzug hielt bereits mit einem Ruck, die Tür surrte zur Seite, und da
stand auch schon die Dame des Hauses, oder präziser gesagt, die Dame von ›Top 1‹,
die ihnen endlich Audienz gewährte.
    Henriette
Gleinegg, ›eine der letzten großen Gastgeberinnen der internationalen Society‹,
wie sie von den Gesellschaftsreportern gebetsmühlenartig beschrieben wurde. Sogar
Pestallozzi war sie ein Begriff, obwohl er diese Seiten immer überblätterte. Sie
trug einen Kaftan aus durchsichtigem Stoff, darunter weiße Leggings und ein weißes
Spitzenhemd. Pestallozzi wusste, dass sie 44 Jahre alt war, doch ohne dieses Wissen
hätte er sie nur schwer einschätzen können. Die Frau im Kaftan hätte 35 oder auch
50 sein können, ihre Haut erzählte jedenfalls von vielen Stunden, die sie in der
Sonne verbracht hatte. Ihre Augen waren dramatisch dunkel geschminkt, an ihren Handgelenken
klirrten dünne Goldreifen. Außerdem war sie barfuß. Und sie streckte ihnen nicht
die Hand zur Begrüßung entgegen, sondern breitete stattdessen die Arme aus und wandte
sich mit einer theatralischen Bewegung dem Inneren der Wohnung zu. »Allora, commissarii!«
    Einen Moment
lang erinnerte ihre Silhouette Pestallozzi an die Fledermäuse, die auf T-Shirts
und Lampions bereits das Herannahen von Halloween verkündeten. Dann war die Assoziation
auch schon wieder weggewischt, zum Glück. Sie stellten sich vor und machten beide
einen ganz kleinen Diener, dann betraten sie das riesige Loft, das offenbar den
gesamten ersten Stock über der Galerie einnahm. Leo hätte beinahe gepfiffen, im
letzten Augenblick gelang ihm ein neutrales Hüsteln. Eine Wohnlandschaft aus sandfarbenem
Leder bildete das Zentrum des Raumes, sie sah abgenutzt und zugleich einladend bequem
aus. Bunte Kissen und arabisch anmutende Decken mit Quasten und Troddeln lagen nachlässig
durcheinandergewürfelt auf den Sitzflächen und am Boden, ein niedriger quadratischer
Couchtisch aus grob behauenem Holz stand in der Mitte und war mit silbernen Aschenbechern,
Zeitschriften, Gläsern und Kerzen gut bestückt. An der rechten Seite war eine futuristische
Küchenzeile installiert, die atemberaubend teuer aussah. Ihr Glanzstück war einer
dieser altmodischen Herde, die in Wirklichkeit ein Hightech-Wunderwerk waren. Leo
hätte zu gerne ein paar Würstchen darauf gebrutzelt, nur so, um den funkelnden Dunstabzug
zu testen.
    Auf der
linken Seite stand eine weiß lackierte Anrichte mit Schubladen, die nach oben hin
immer schmäler wurde. Die Wand über der Anrichte bedeckte ein Arrangement aus moderner
Kunst und verästelten Geweihen, auf denen Schals und Halsketten und ein paar zerrupfte
Strohhüte hingen. Es sah ziemlich respektlos aus, wenn man bedachte, dass dies

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