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Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Klee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Faro
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normalerweise nicht dabei gestört werden durfte.
    »Ob da jemand
den Tod von der Charlotte Gleinegg rächen wollte? Und die Geschichte mit dieser
Krankheit, das kann doch nicht wahr sein! Ich meine, wir reden doch vom 21. Jahrhundert!
Und nicht von Transsylvanien vor 200 Jahren!«
    Pestallozzi
wiegte den Kopf. »Ich weiß. Die Fragen werden immer mehr. Was ist der Zwillingsschwester
vom alten Gleinegg widerfahren? Hat seine Tochter Selbstmord begangen oder war es
ein Unfall?« Pestallozzi sprach wie zu sich selbst, als ob er durch penibles Auflisten
Ordnung bringen könnte in die Rätselhaftigkeiten dieses Falles. »Jedenfalls kann
ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass jemand die Charlotte so grausam
hätte rächen wollen, noch dazu nach so vielen Jahren. Wer hätte sich denn wirklich
betroffen fühlen können? Doch nur die Mutter, die schon lange tot ist. Und die Geschwister,
aber die waren entweder noch gar nicht geboren oder selbst noch Kinder, als es passiert
ist. Und alle haben wasserdichte Alibis, das haben wir doch schon abgeklärt.« Er
lächelte schief. »Na gut, wasserdicht war jetzt nicht ganz der passende Ausdruck.
Jedenfalls glaube ich nicht an einen unmittelbaren Zusammenhang. Und trotzdem …
dieser Mord ist mit der Familiengeschichte verknüpft, da bin ich mir hundertprozentig
sicher. Ja, wirklich, hundertprozentig.« Der Chef schien selbst erstaunt zu sein
über diese Gewissheit.
    Sie gingen
nebeneinander her, Leo kickte Steinchen aus dem Weg.
    »Irgendwie
habe ich so ein Gefühl …« Er schrak zusammen, als ob ihm eine große Peinlichkeit
entschlüpft wäre. Ein Gefühl, du lieber Himmel! Aber der Chef sah ihn bloß interessiert
und aufmerksam an.
    »Ja, Leo?
Heraus damit!«
    »Tja, also,
ich meine, äh, also irgendwie, manchmal denke ich mir, dass sehr wohl jemand etwas
weiß. Vielleicht sogar einer von uns. Aber dass derjenige eben gar nicht weiß, dass
er etwas weiß …«
    Gott, was
stammelte er da bloß daher! Das musste dieser verdammte Grappa auf leeren Magen
sein! Hoffentlich konnte er die Sache irgendwie wieder hinbiegen. Er musste dem
Chef unbedingt klarmachen, dass er nie wieder …
    Pestallozzi
war stehen geblieben und sah Leo an, so neugierig und freundlich, als ob er ihn
soeben zum ersten Mal erblickt hätte.
    »Weißt du,
was ich denke, Leo?«, fragte Pestallozzi.
    Leo brachte
nur ein Krächzen zustande.
    »Dass aus
dir noch einmal ein richtig guter Ermittler wird«, sagte Pestallozzi.
    Und damit
ging er weiter. Leo schloss die Augen, um das Glücksgefühl, jawohl, das Gefühl auszukosten. Dann rannte er dem Chef hinterdrein.
     
    *
     
    Sie waren sich im Präsidium über
den Weg gelaufen, jetzt saßen sie in dem kleinen Coffee-to-go-Shop am Kajetanerplatz.
Oder besser gesagt, sie balancierten auf chromglänzenden Barhockern, deren Sitzflächen
aus rotem Lederimitat und so klein waren, dass Pestallozzi befürchtete, jeden Moment
das Gleichgewicht zu verlieren. Lisa Kleinschmidt saß ihm gegenüber und biss gerade
herzhaft in eine Art Golatsche mit Vanillefüllung, die aber bestimmt nicht Golatsche
hieß, sondern Bagel-to-go oder so ähnlich. Er selbst rührte in einem Caffè Latte.
Nach einem Kaffee um diese Zeit würde er natürlich wieder nicht einschlafen können,
aber Schlaflosigkeit war ihm sowieso seit vielen Jahren wohlvertraut. Und seitdem
er sich mit diesem Gleinegg-Fall herumplagte, war sie noch ärger geworden. Er lag
stundenlang wach und schob die Beteiligten in seinem Kopf herum wie Figuren auf
einem Schachbrett, aber am Ende herrschte regelmäßig ein Durcheinander wie bei Mikadostäbchen.
Einmal war er sogar mit dem allerschrecklichsten Gedanken wieder hochgeschreckt,
der einen Polizisten plagen konnte: Dass er sich eigentlich gar nicht wünschte,
sie würden den Täter zu fassen kriegen. Ein alter Mann hatte geerntet, was er ein
Leben lang gesät hatte. Lieblosigkeit und Kälte, Gewalt und Verachtung. Einer, der
sein Leben lang andere verletzt hatte, mit Worten und mit Taten, und stets davongekommen
war. Wie so viele andere. Die besaßen zwar nicht unbedingt eine eigene Kirchenbank,
aber genossen ebenso Ansehen und Respekt und wurden nie belangt für ihre Taten.
Und jetzt hatte es einen von ihnen einmal erwischt. Er konnte einfach keinen Funken
Mitgefühl für den Gleinegg aufbringen, beim besten Willen nicht. Auch davon hatte
er Lisa erzählt, neben all den anderen Details der Geschichte. Nun ja, nicht ganz
so direkt, aber er hatte seine Distanz zu

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