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Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Klee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Faro
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Pestallozzi. »Lisa, du weißt ja gar nicht, wie sehr du mir geholfen hast.
Danke, ehrlich.«
    »Artur,
mach mich nicht verlegen!«
    Eine Horde
junger Burschen kam ins Lokal gepoltert, sie trugen alle schwarze Kapuzenjacken,
die sie wie Mönche aussehen ließen. Zum Glück verzogen sie sich in den Raum mit
den Flipperautomaten, der Lärmpegel stieg trotzdem gewaltig an.
    »Eine Frage
hätte ich noch, Frau Doktor«, sagte Pestallozzi. »Was denkst du über diese ominöse
Krankheit, diesen angeblichen Familienfluch? Ist das nur dummes Geschwätz rund um
Zufälle? Oder kann es wirklich so etwas gegeben haben? Was meinst du, könnte das
vielleicht eine Geschlechtskrankheit gewesen sein, die immer wieder aufgetreten
ist? Ich habe einmal einen Film im Fernsehen gesehen über einen Komponisten, ich
glaube, es war sogar der Schubert, der an so einer Sache gestorben ist. Das war
wirklich schauerlich, aber diese angeblich weggefressene Nase würde dazupassen.
Was denkst du?«
    Sie wiegte
nachdenklich den Kopf. »Darüber habe ich auch schon gegrübelt, glaub mir. Und ich
habe auch schon so eine Idee. Eine Geschlechtskrankheit kommt für mich eigentlich
nicht in Frage. Wie gesagt, es geht mir eine Möglichkeit durch den Kopf. Aber ich
möchte dir keinen Floh ins Ohr setzen, solange ich mir nicht sicher bin. Gib mir
noch ein, zwei Tage Zeit, ja? Ich würde gerne etwas abklären.«
    Natürlich
hätte er nur zu gerne gewusst, woran sie dachte. Aber er wollte sie nicht drängen.
Pestallozzi war selber Tüftler und Eigenbrötler genug, um ein solches Verhalten
bei anderen zu respektieren.
    Zwei der
jungen Männer gingen vorbei, mit diesem wiegenden Schritt, zu dem die Hosen mit
den tief hängenden Hinterteilen anscheinend inspirierten. Sie klopften sich gerade
Zigaretten aus einer zerknautschten Packung, die sie offenbar draußen auf dem Gehsteig
rauchen wollten. Es verblüffte Pestallozzi immer wieder, wie problemlos das Rauchverbot
überall eingehalten wurde. Rund um die allerkleinsten Verordnungen gab es ständig
Diskussionen und Konflikte, aber das Rauchverbot wurde ohne zu murren hingenommen.
Er verspürte plötzlich die allergrößte Lust, eine kleine Revolution anzuzetteln
und sich eine Gauloise anzuzünden, hier und jetzt. Oder, besser noch, im ›Goldenen
Hirsch‹. Und morgen dann das Foto in allen Zeitungen mit der Bildunterschrift: ›Ermittelnder
Chefinspektor im Fall Gleinegg tafelt im teuersten Restaurant der Stadt, missachtet
Rauchverbot und wird daraufhin von Kollegen abgeführt.‹ Für den Woratschek wäre
das wie Weihnachten und Silvester zusammen!
    »Artur,
lass mich mitlachen«, sagte Lisa. »Du grinst ja über das ganze Gesicht!«
     
    *
     
    Am nächsten Tag schlief er geradezu
unanständig lange, jedenfalls für seine Verhältnisse, bis fast um acht. Er fühlte
sich so erfrischt, als ob er ein Bad im See genommen hätte. Beim Rasieren schnitt
er sich kein einziges Mal. Der heiße Spätsommer begann in einen milden Herbst überzugehen,
auf dem Kastanienbaum vor seinem Badezimmerfenster raschelten die ersten gelben
Blätter. Beinahe hätte er die Melodie des Schlagers, der aus dem Radio dudelte,
mitgesummt, ›Mama Leone‹. Er schüttelte den Kopf, aber dann beschloss er, nicht
zu streng mit sich selbst zu sein. Ein sonniges Wochenende brach an, und dem wollte
er ein Stündchen Wohlergehen abtrotzen, ehe er den Rest des Tages wieder im Büro
verbringen würde, wo sonst. Er würde zu Fuß ins Büro gehen, jawohl, am besten über
den Markt am Universitätsplatz, und sich dort an einem Stand eine Bratwurst mit
einem kühlen Hellen vergönnen. Abgemacht.
    Pestallozzi
streifte sich mit einem raschen Blick im Spiegel. Er neigte dazu, die Wohnung mit
Resten von Rasierschaum an den Ohren zu verlassen, das hatte ihm schon so manchen
amüsierten Blick von weiblichen Entgegenkommenden eingebracht. Aber heute schien
alles tipptopp zu sein. Er trug sein Lieblingsoutfit, schwarze Jeans, ein blauweiß
gestreiftes Hemd und das graue Jackett, das er vor Jahren einmal in Wien erstanden
hatte. Defensivkleidung hatte Iris sein Styling immer genannt, bis sie sich zum
Schluss ihrer Ehe nicht mehr die Mühe machte, ihren Unmut mit solchen ironischen
Floskeln zu umschreiben. Artur, du siehst so was von langweilig aus, immer in den
gleichen Sachen, tagein, tagaus! Na ja, jetzt musste sie sich schon lange nicht
mehr mit seinem Anblick plagen.
    Er schloss
die Wohnungstür ab und lief die drei Stockwerke hinunter. Das war Morgensport

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